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Politik

Jetzt wird Mexikos Zukunft geschrieben

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Claudia Herrera-Pahl
2. Juli 2018

Der neue Präsident López Obrador ist ein Linkspopulist. Und er hat alle Mittel in die Hand bekommen, um Mexiko neu zu erfinden - zum Guten oder Schlechten. Claudia Herrera-Pahl plädiert für Optimismus.

Der neugewählte Präsident Andrés Manuel López Obrador bei der Stimmabgabe am SonntagBild: Reuters/E. Garrido

Andrés Manuel López Obrador, genannt AMLO, wird über eine enorme politische Macht verfügen. Mit einem historischen Ergebnis haben seine Partei MORENA und er nicht nur die Präsidentschaft erobert, sondern auch mehrere Gouverneursposten in den Bundesstaaten, das einflussreiche Bürgermeisteramt von Mexiko Stadt und nicht zuletzt nach allen Prognosen auch die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses.

Das Ergebnis war indes nicht überraschend: AMLO und MORENA haben von der enormen Unzufriedenheit eines erschöpften Volkes profitiert, das einen Ausweg aus der Misere sucht, in der es lebt. Ein Volk, das der Jahr um Jahr höheren Zahl der Verschwundenen müde ist. Das nicht mehr in einem Land leben will, in dem Frauen, Journalisten, Umweltaktivisten und Politiker ermordet werden, weil sie sind, was sie sind. Ein Volk, das die Kartelle satt hat, die ganze Regionen mit Gewalt kontrollieren, um ungestört mit Drogen zu handeln oder andere Verbrechen zu begehen. Millionen von Menschen, die dem Teufelskreis aus Armut, Korruption und Gewalt entkommen wollen. Millionen, die nun alle ihre Hoffnungen auf AMLO gesetzt haben.

Keine Chance für AMLOs Konkurrenten

Seine Rivalen hatten keine Chance. Sie standen für drei Parteien, die in den vergangenen Jahrzehnten keine Lösung gefunden haben. José Antonio Meade war trotz seiner großen Erfahrung zu sehr belastet mit dem Ärger über die ewige Regierungspartei PRI. Und der relativ junge Ricardo Anaya, der Kandidat der beiden ideologisch eigentlich weit auseinanderliegenden Parteien PAN und PRD, wurde von vielen als skrupellos gesehen und jedenfalls nicht geeignet, das Land aus der Sackgasse herauszuführen, in der es steckt.

Claudia Herrera-Pahl ist Mexikanerin und leitet die spanische Online-Redaktion

López Obrador wird dagegen wie ein Messias gesehen. Versprochen hat er jedenfalls vergleichbar viel: Er will dem wachsenden Einfluss der organisierten Kriminalität Einhalt gebieten, keine mafiösen Strukturen in Regierungsbehörden mehr zulassen, der Straflosigkeit ein Ende bereiten, für die Armen regieren, für Gerechtigkeit kämpfen, sich für Demokratie und nationale Souveränität einsetzen und natürlich Donald Trump gegenüber hart sein.

Um all das zu schaffen und vor allem die riesige Kluft zwischen arm und reich zu verringern, wird AMLO die verschiedensten politischen Fraktionen zusammenbringen müssen. Und das wird kaum möglich sein, ohne mit dem neoliberalen Modell zu brechen, das Mexiko in den zurückliegenden Jahren zu einem der wirtschaftlich dynamischsten Länder in der Region gemacht hat. AMLO und seine MORENA werden klare, aber auch abgewogene Entscheidungen treffen müssen, wenn sie Mexikos Position im internationalen Vergleich nicht aufs Spiel setzen wollen. Wirtschaftlich setzen sie vor allem auf den Binnenmarkt, auf festgelegte Preise für die Landwirtschaft und auf eine Revision der Öffnung des Ölmarktes für die Privatwirtschaft. Dabei sollte nicht vergessen werden, womit Mexiko die größten Deviseneinnahmen erwirtschaftet: mit dem Export von Industrieprodukten, durch die "remesas" genannten Überweisungen von Auslandsmexikanern sowie mit Öl und Tourismus. Und Tag für Tag gehen 70 Prozent der mexikanischen Exporte in die USA.

Mexiko braucht Frieden und wirtschaftlichen Erfolg

Dieses Modell abzuschaffen, wäre ein fataler Irrtum und würde dazu führen, dass AMLO sein zentrales Wahlversprechen nicht umsetzen kann: die herrschende Ungleichheit zu verringern. Um zu vermeiden, dass die Beziehungen zu den USA noch vergifteter werden, ist es außerdem unvermeidlich, in wichtigen Bereichen wie der Migration und dem grenzüberschreitenden Verbrechen weiterhin zusammenzuarbeiten.

Mexiko braucht Frieden. Heute sind die Hochschulen leer, weil Jugendliche lieber leichtes Geld in der organisierten Kriminalität verdienen. Brutale Morde haben allein im vergangenen Jahr mehr als 26.000 Menschen das Leben gekostet. Nur wenn AMLO das ändern kann, beweist er, dass Millionen Mexikaner sich nicht geirrt haben. In Mexiko gibt es keine Stichwahl, die Würfel sind gefallen. Es gibt keine zweite Chance - Mexiko steht jetzt an einem entscheidenden Punkt seiner Geschichte.

Der erste deutsche Bundespräsident Theodor Heuss hat einmal gesagt, "der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist". Und die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt, auch in Mexiko. AMLO verdient etwas Optimismus. Doch wer darauf hofft, dass er die humanitäre Krise im Land beseitigen kann, darf eines nicht vergessen: Alles was er unternimmt, wird alle 123 Millionen Mexikaner betreffen - nicht nur seine Wähler.

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