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Nagelsmann ist bereit für mehr

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
23. September 2017

1899 Hoffenheim bleibt in der Bundesliga ungeschlagen und überholt sogar den FC Bayern. Erfolg und Spielweise der TSG tragen seine Handschrift: Julian Nagelsmann ist bereit für höhere Aufgaben, meint Joscha Weber.

Julian Nagelsmann ist längst kein "Trainer-Wunderkind" mehr. Sein Team trägt seine Handschrift.Bild: Getty Images/Bongarts/A. Grimm

Natürlich kommt es in keiner Ehe gut an, wenn der Gatte mit einer anderen (und dann auch noch für viele unwiderstehlich attraktiven) Frau flirtet. So geschehen vor knapp zwei Wochen. Der Gatte alias Julian Nagelsmann bekundete der hübschen Dame alias FC Bayern München seine Zuneigung. Öffentlich. Und ziemlich deutlich. "Der FC Bayern spielt in meinen Träumen schon eine etwas größere Rolle", säuselte Nagelsmann in einem Interview und weiter: "Ich bin sehr, sehr glücklich, aber der FC Bayern würde mich vielleicht noch ein Stück glücklicher machen." Bei der versetzten Ehefrau alias TSG 1899 Hoffenheim schüttelte man sich kurz und gab sich dann schnell kämpferisch: Hoffenheim-Boss Dietmar Hopp verweigerte die Freigabe und ließ wissen: "Das ist aus Bayern-Sicht wohl noch nicht so häufig vorgekommen, wenn sie einen Trainer oder Spieler haben wollen, dass es auch mal nicht funktioniert." Etwas Trotz hilft eben bei verletzten Gefühlen.

Die sind allerdings schon fast wieder vergessen. Denn anders als im Eheleben zählt im Fußball allein der Erfolg, Treue ist eine nicht sehr verbreitete Tugend. Julian Nagelsmann liefert und versöhnt: Der erst 30-jährige Trainer führt die TSG von Sieg zu Sieg und aktuell sogar auf Rang zwei der Tabelle. Hoffenheim steht damit vor dem großen FC Bayern. Auch das hilft sicher, die aufgekommene Eifersucht schnell wieder zu vergessen.

Nagelsmanns Handschrift

DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Nagelsmann redet, handelt und ist viel reifer als es sein Alter vermuten lässt."

Die junge TSG-Mannschaft (Altersdurchschnitt 24,5 Jahre) begeistert inzwischen nicht nur die eigenen Fans. Und das will etwas heißen, denn bislang war Hoffenheim in der Liga so beliebt wie ein Kreuzbandriss. Das neue kollektive Fan-Feindbild RB Leipzig spielt da sicher mit rein. Mehr aber noch der mitreißende Offensivfußball der Blau-Weißen. Schnell, kreativ und zugleich taktisch sehr diszipliniert - die TSG, vor zwei Jahren noch ein Abstiegskandidat, beeindruckt. Und sie trägt Nagelsmanns Handschrift.

Dem Shootingstar unter den deutschen Trainern ist bereits jetzt gelungen, wovon viele erfahrenen Kollegen träumen: aus einem Kellerkind einen Champions-League-Anwärter zu formen und dabei auch noch einen eigenen Stil erkennbar werden lassen. Julian Nagelsmann, der bei Hoffenheim einen Vertrag bis 2021 hat, macht auf sich aufmerksam. Und er ist bereit für höhere Aufgaben.

Von wegen "zu jung"

Viele sprechen ihm genau das ab, halten ihn noch für zu jung. Nagelsmann müsse aus seinem Interviewflirt "lernen", sagte Meistercoach Ottmar Hitzfeld. Er solle "noch einige Jahre in Hoffenheim bleiben", um sich weiterzuentwickeln. Nagelsmann, der sich längst für seinen Flirt mit dem FCB entschuldigt hat, ist wie immer schon weiter, als seine Beobachter meinen. Das mit dem "zu jung" hat er schon oft gehört, vor allem als er mit gerade einmal 28 Jahren Bundesliga-Trainer wurde. Das Gerede um sein Alter hat ihn nie groß interessiert. Nagelsmann, der in München ein Haus baut und die Stadt als "Heimat" bezeichnet, redet, handelt und ist viel reifer, als es sein Alter vermuten lässt. Und er brennt förmlich auf mehr internationale Herausforderung. Nach dem Scheitern in der Champions-League-Qualifikation ist die Europa League mit Hoffenheim da nur eine Zwischenstation. Die Tatsache, dass er beim jüngsten 2:0-Sieg gegen Schalke am Samstag wieder erfolgreich rotierte und dennoch das Spielsystem erhalten und sogar stabilisieren konnte, zeigt einmal mehr: Nagelsmann ist bereit für höhere Aufgaben - spätestens im kommenden Sommer.

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