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Politik

Können Wahlen Spanien helfen?

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
19. September 2019

Weil sich die Politik-Machos in Spanien nicht auf eine Koalition einigen können, müssen nun schon wieder die Wähler ran. Was soll sich dadurch ändern? Nein, Spanien braucht etwas ganz anderes, meint Bernd Riegert.

Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez ist gescheitert, die nächste Wahl steht anBild: Getty Images/AFP/O. Del Pozo

Er sieht gut aus, ist telegen, wirkt dynamisch, macht auf der europäischen Bühne eine gute Figur und kann den französischen Präsidenten zu seinen Freunden rechnen. Dennoch hat der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sanchez in Spanien versagt. Schöner Schein auf internationalem Parkett allein reicht eben nicht - man muss auch zu Hause verhandeln und Kompromisse eingehen können.

Genau das konnte Pedro Sanchez seit den Wahlen im April eben nicht. Koalitionsgespräche mit der von ihm ungeliebten linkspopulistischen Podemos führte er nur lustlos. Der eigentlich von Sanchez gewünschte Partner, die liberale Ciudadanos-Partei, zeigte dem Sozialisten die kalte Schulter und dieser bemühte sich nur halbherzig, Parteichef Alberto Rivera umzustimmen.

Es liegt nicht nur an Pedro Sanchez

Aber nicht nur Sanchez ist gescheitert, auch die übrigen Parteichefs haben nicht geliefert. Alle verharrten auf ihren Positionen. Das übergeordnete Ziel - eine stabile Regierung für einen Staat zu bauen, der verlässliche Führung auf dem Weg aus der gerade verdauten Finanzkrise braucht - wurde wieder verfehlt. Statt Staatskunst nur Machogehabe, persönliche Eitelkeiten, Kabale und verbale Hiebe.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Jetzt müssen also wieder die Wählerinnen und Wähler ran, um zu reparieren, was die  politische Klasse in Spanien nicht zu Wege bringt: Zum vierten Mal in vier Jahren sind nationale Wahlen fällig. Dass sich das Ergebnis - ein Patt zwischen zwei linken und drei rechten Parteien mit diversen Regionalparteien als Zünglein an der Waage - grundlegend ändert, ist nicht zu erwarten. Statt immer wieder die Abgeordneten neu zu wählen, sollten sich die spanischen Parteien lieber überlegen, ob sie die richtigen Männer (es sind tatsächlich ausschließlich Männer!) an der Spitze haben. Die Chefs der fünf größten Parteien wirken zwar alle sehr smart, stecken politisch aber wohl noch in einer Art spätpubertären Trotzphase, sind unfähig zusammenzuarbeiten.

Die Wählerinnen und Wähler haben das längst erkannt. 82 Prozent halten die politische Klasse laut Umfragen für selbstverliebte Egomanen, die nicht an die Bürger denken. Das Vertrauen in die Demokratie ist nachhaltig erschüttert. Die politische Welt wird durch die Zersplitterung der Parteienlandschaft immer unübersichtlicher. Darauf müssen Politiker mit dem Willen zum Kompromiss reagieren.

Politikverdrossenheit hat Konjunktur

Das gilt übrigens nicht nur für Spanien, sondern auch für andere europäische Demokratien: In Belgien gelingt die Bildung einer Koalition seit über 100 Tagen nicht. Auch in Deutschland hat es fast ein halbes Jahr gedauert, bis nach den Wahlen 2017 die Notlösung, eine dritte Koalition zwischen Christ- und Sozialdemokraten, zusammengezimmert wurde. In Italien hatte man wenigstens für eine Woche geglaubt, es gebe eine regierungsfähige Koalition links der Mitte. Doch mit dem Abgang einiger rebellischer Sozialdemokraten, angeführt vom Narziss Matteo Renzi, gerät auch diese Regierung in Gefahr.

In Spanien sind sich die meisten Meinungsführer einig: Das Land braucht eine stabile Regierungsmehrheit, um drei große Herausforderungen zu meistern: 1.) die Folgen des Brexit für die spanische Wirtschaft und Tourismusindustrie. 2.) die heraufdämmernde Rezession in Europa und deren Folgen für die spanische Wirtschaft, der es im Moment ganz gut geht und 3.) der Streit zwischen Katalonien und der Zentralregierung in Madrid, der im Herbst wieder voll ausbrechen könnte, wenn Urteile gegen vermeintliche katalanische Aufrührer gesprochen werden.

Die Neuwahlen am 10. November sollten von der politischen Klasse in Spanien als allerletzte Chance aufgefasst werden, die Glaubwürdigkeit der Politik zu retten. Danach muss es eine Koalitionsregierung geben. Gebraucht werden keine eitlen Selbstdarsteller, sondern Parteichefs, die den Dialog beherrschen und ihre Verbände in vernünftige Kompromisse führen können.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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