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Kabuls Festtags-Flirt mit Delhi

Weigand Florian Kommentarbild App
Florian Weigand
15. September 2016

Kann Afghanistan langfristig auf Hilfen aus dem Westen bauen? Weil das mehr als zweifelhaft ist, hat Kabul Recht, wenn es sich nach alternativen Geldquellen in der Region umschaut, meint Florian Weigand.

Die Präsidenten Narendra Modi (li) und Ashraf Ghani (re.) haben schon mehrfach gezeigt, dass sie sich verstehenBild: DW/A.Mutmaien

Es ist gute Tradition in der islamischen Welt, sich am Eid-Fest, das gerade begangen wird, reichlich zu beschenken. Ein ganz besonders großes "Eidi" kann diesmal der afghanische Präsident Ashraf Ghani von seinem Staatsbesuch in Neu Delhi mit nach Hause nehmen: Eine Milliarde Dollar soll Afghanistan von Indien bekommen, als Hilfe für wirtschaftlichen Aufbau und Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus.

Dass dieses Präsent ausgerechnet von dem aus islamischer Sicht "ungläubigen" Hindu Narendra Modi als Regierungschef von Indien überreicht wird und nicht von den moslemischen Nachbarn Iran oder Pakistan, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ist aber zunächst nicht anderes als ein Sieg der nüchternen Realpolitik.

Vergebliches Warten auf pakistanische Hilfe

Denn wie so oft kreisen die realen Probleme auch hier wieder um Pakistan, das wie ein Riegel zwischen den beiden Ländern liegt - geographisch wie politisch. Afghanistans Präsident ist hoch frustriert. Seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hat er eine Annäherung mit Islamabad versucht, um einem Frieden mit den Taliban endlich näher zu kommen. Pakistanische Politiker hatten laut damit angegeben, wie groß doch ihr Einfluss auf die Islamisten sei. Doch einer Friedenslösung kamen auch sie keinen Schritt näher. Unklar bleibt, ob sie nicht konnten oder gar nicht erst wollten. Und eine sogenannte "Wirtschaftshilfe" beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass Afghanistan mit billigen Waren aus Pakistan überschwemmt wird. Was also lag näher, sich wieder verstärkt dem hilfswilligen Indien zuzuwenden?

Modi hatte ebenfalls versucht, sich mit dem schwierigen Nachbarn auszusöhnen. Doch Islamabad flirtet lieber mit Peking, das mit großzügiger Wirtschaftshilfe wirbt. Und auch in Afghanistan wird das Reich der Mitte immer aktiver, was in Delhi die Alarmglocken schrillen lässt. Denn das zerrüttete Land am Hindukusch ist potenziell reich - an seltenen Erden (wichtig für die Handyproduktion), an Kupfer und Erdgas. Peking vergrößert beharrlich seinen Einfluss und tritt damit in direkte Konkurrenz zum Regional-Hegemon Indien.

Florian Weigand leitet die Afghanistan-Redaktion

In Delhi haben sich also zwei getroffen, deren reale Interessen sich in großen Teilen decken. Das ist ein Lichtblick in einer Region, in der religiös motivierte Ideologien oft den Blick auf das Naheliegende, Notwendige und Realistische verdüstern. Das gilt für Afghanistan wie für Indien: Der religiöse Fanatismus am Hindukusch ist weltweit bekannt, aber auch in Indien werden Menschen von Extremisten - diesmal Hindus - gelyncht, nur weil sie Rindfleisch essen. Es ist erfrischend zu sehen, dass Ghani und Modi dies alles - wenigstens in der Außenpolitik - beiseite schieben.

Der Westen gerät unter Handlungsdruck

Der Deal mit Indien treibt aber auch die westliche Gemeinschaft vor sich her: Anfang Oktober treffen sich westliche Geberländer in Brüssel, um über eine Fortschreibung der Unterstützung für Afghanistan zu beraten. Die Hilfen werden ohne Zweifel für die nächsten Jahre weitergehen. Die Frage aber bleibt: Will der Westen langfristig finanziell dagegen halten oder das Feld dem aufstrebenden Indien überlassen? Wir erinnern uns: Die NATO wurde im Herbst 2001 in Afghanistan doch vor allem deswegen aktiv, um die Terrorgefahr für die westliche Hemisphäre auszuschalten. Nun verlagern sich die Schwerpunkte: Das neue Terror-Gespenst IS hat seine Basis in den arabischen Ländern.

Indien hat dagegen langfristige, strategische Interessen in der Region. Kabul ist daher gut beraten, den Fokus auf Hilfen aus der eigenen Nachbarschaft zu richten. Eine schwierige Balance gilt es dabei zu wahren: Der Dialog mit Pakistan darf nicht abreißen. Denn wenn Islamabad in Zorn gerät, werden Terroristen von dort weiter Unterstützung erhalten.

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