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PolitikEuropa

Gerechte Strafe für Kriegsverbrechen

20. März 2019

Das Urteil des UN-Kriegsverbrechertribunals gegen den Ex-Serbenführer Karadzic zeigt, dass die internationale Justiz handlungsfähig ist - trotz aller Widerstände, meint Rüdiger Rossig.

Bild: Getty Images/AFP/P. Dejong

Das ist eine gute Nachricht für alle, denen daran gelegen ist, dass Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit weltweit verfolgt und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden: Radovan Karadzic (Karadžić), Chef der serbischen Nationalisten im Krieg um die ex-jugoslawische Republik Bosnien-Herzegowina von 1992-95, wird den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Das beschloss das Internationale Kriegsverbrechertribunal der Vereinten Nationen für das ehemalige Jugoslawien am Mittwoch (20.3.2018) im niederländischen Den Haag in einem Revisionsurteil.

Der 1945 in Montenegro geborene Karadzic war als Jugendlicher in die bosnische Hauptstadt Sarajevo gezogen. Dort machte er Abitur, studierte und arbeitete jahrelang als Psychiater, bis er Anfang der 1990-er Jahre in die Politik ging und schnell zum Führer der serbischen nationalistischen Partei in der damaligen jugoslawischen Teilrepublik avancierte.

DW-Redakteur Rüdiger Rossig

International bekannt wurde der Mann mit der grau melierten Mähne durch die brutale Vertreibung aller Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen die Politik der serbischen Nationalisten stellten und vor allem aller Nicht-Serben aus denjenigen Teilen Bosniens, die seine Truppen kontrollierten. Gebiete des Landes, in denen sich die serbischen Nationalisten nicht durchsetzen konnten, ließ "Präsident" Karadzic belagern, alleine in der Hauptstadt Sarajevo kamen dabei mehr als 11.000 Männer, Frauen und Kinder ums Leben.

Der Völkermord von Srebrenica

Ihren Höhepunkt erreichte Radovan Karadzics verbrecherische Politkarriere nach der Eroberung der ostbosnischen Kleinstadt Srebrenica: Seine Armee ermordete 8000 muslimische Jungen und Männer. Kurz danach beendeten Truppen der Nato den Krieg um Bosnien. Der "Präsident" der bosnischen Serben, der längst wegen Kriegsverbrechen angeklagt worden war, wurde auf internationalen Druck hin abgesetzt - und verschwand von der Bildfläche.

Während ihn die mittlerweile in Bosnien stationierte internationale Schutztruppe überall im Lande suchte, tauchte der Nationalistenführer selbst für mehr als zehn Jahre im benachbarten Serbien unter. Erst 2008 wurde der Mann, der sich als Wunderheiler ausgab, verhaftet und an das UN-Kriegsverbrechertribunal ausgeliefert. 2016 verurteilte ihn das Gericht zu 40 Jahren Haft - und kündigte an, das Urteil einer Revision zu unterziehen, da weitere Anklagepunkte in der Verhandlung nicht zur Sprache gekommen waren. Karadzics Verteidigung stimmte zu - in der Hoffnung, bei der Gelegenheit eine Strafminderung oder gar einen Freispruch ihres Mandaten erreichen zu können.

Lebenslänglich für Radovan Karadzic

Der finale Richterspruch ist das genaue Gegenteil davon. Lebenslänglich für Radovan Karadzic bedeutet einerseits Genugtuung für die Opfer der "ethnischen Säuberung" der während des Krieges von serbischen Nationalisten kontrollierten Teile Bosniens. Es ist auch ein Signal an die Nationalisten, die die Republika Srpska, den serbischen Teilstaat des heutigen Bosniens, bis heute beherrschen. Gleichzeitig ist es ein Zeichen für die Kritiker des UN-Jugoslawientribunals in den anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens, die im UN-Tribunal nicht etwa eine Instanz internationalen Rechts sehen, sondern eine Form von Siegerjustiz.

Zudem ist das Den Haager Revisionsurteil im Fall Karadzic eine Botschaft an Staaten wie die USA, Russland oder China, die sich weigern, ihre Bürger an internationale Gerichte zu übergeben und das internationale Recht am liebsten abschaffen würden. Ihnen wie den ex-jugoslawischen Kritikern internationaler Justiz hat das Tribunal gezeigt, dass es trotz aller Widerstände in der Lage ist, Recht zu sprechen und durchzusetzen.

Genau damit setzt die heutige Entscheidung des UN-Jugoslawientribunals das wichtigste Zeichen. Es richtet sich an alle Politiker und Militärs auf diesem Planeten, die meinen, im Krieg würden gesetzliche Normen und Vorschriften nicht gelten. Und lautet: Ihr müsst weiterhin mit internationaler Strafverfolgung rechnen, die früher oder später eurer habhaft wird, euch vor international anerkannte Gerichte stellt, nach international gültigem Recht verurteilt und dann dorthin steckt, wo Radovan Karadzic den Rest seines Lebens verbringen wird: ins Gefängnis.