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Politik

Das Kreuz der Bischöfe

11. Februar 2020

Und noch ein Rückzug vom Amt: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz möchte sich nicht zur Wiederwahl stellen. Das Amt, das Kardinal Marx seit 2014 inne hat, ist auch kein einfaches, meint Christoph Strack.

Die beiden ranghöchsten deutschen Ortsbischöfe: der Münchner Kardinal Marx (re.) und der Kölner Kardinal Woelki Bild: imago

Eine stürmische Woche: Am Montag kündigt Annegret Kramp-Karrenbauer überraschend ihren Rückzug vom CDU-Vorsitz an. Am Dienstag folgt ihr Reinhard Kardinal Marx, der in knapp drei Wochen den Vorsitz der katholischen Deutschen Bischofskonferenz loswerden will. Auch die Ankündigung von Marx kam wie aus heiterem Himmel.

Nicht ganz. Denn die Deutsche Bischofskonferenz, dieses zwar nicht an Jahren alte, aber altehrwürdig anmutende Gremium von derzeit 69 Bischöfen, wirkt in Zeiten kirchlicher Umbrüche schwerfällig. Und wenn nicht zerrissen, so doch von gepflegten Spannungen geprägt. Zwar ist es eine Bischofskonferenz, aber es sind doch individuelle Kleriker-Gestalten. Das passt zum Konzept von Kirche. Bischöfe gibt es fast so lange, wie es Kirche gibt. Bischofskonferenzen hingegen sind eine Erfindung der Neuzeit und blieben lange ohne eigene Rechtskompetenz. Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bekamen sie einen offiziellen Rahmen mit Festlegungen, was eine Bischofskonferenz ist, was sie darf und wie sie verfasst ist.

Gehorsam nur gegenüber dem Papst

Aber bis heute gilt: Ein Bischof ist dem Papst Gehorsam und Rechenschaft schuldig, nicht aber dem Vorsitzenden seiner Vollversammlung oder seinen Mitbrüdern. Das ist begründete Tradition und Lehre, und diese feine Hierarchie sorgte neben der Botschaft der Erlösung dafür, dass die "Heilsgestalt" Kirche als global player erfolgreich ist wie keine andere Institution. Ganz konkret gesagt: In den skandalösen Vorgängen um das Limburger Bischofshaus 2013 (Stichwort: Bischof Bling-Bling) konnten sich zwar alle Bischöfe, wenn sie wollten, schämen - aber eingreifen konnte nur Rom. Das Gleiche bei den Misshandlungs- und Veruntreuungsvorwürfen gegen den damaligen Augsburger Bischof Walter Mixa 2010.

Christoph Strack ist Kirchen-Experte der DWBild: DW/B. Geilert

Grau klingt solche Theorie. Aber das ärgerliche Warten auf eine Entschädigungsregelung für Opfer sexuellen Missbrauchs durch Kleriker, bei dem die Bischöfe angesichts konkurrierender Konzepte vertrösten und vertrösten, macht das Problem anschaulich. Und auch das Ringen um den sogenannten "Synodalen Weg", mit dem sich Bischöfe und Laien um Möglichkeiten von Reformen im Rahmen des lehramtlich Möglichen mühen wollen, veranschaulicht die Kluft im Episkopat. Die beteiligten Bischöfe arbeiten zwar zusammen mit den Laien, aber nicht gemeinsam. Sie ziehen, so wirkt es, am selben Strang - aber an unterschiedlichen Enden.

Hauptprotagonisten sind zwei Kardinäle: der Münchner Erzbischof Reinhard Marx und sein Kölner Mitbruder Rainer Maria Woelki. Bei der jüngsten Wahl des Konferenzvorsitzenden waren sie keine Konkurrenten. Aber beide haben in ihrem Stolz Fehler gemacht, spätestens, als es im Jahr 2015 um die Zuständigkeit für das Großthema Flüchtlinge ging, die die Mitbrüder eben zu dauernd streitenden Geschwistern macht. Und neben diesem Großkonflikt gibt es Individualisten und tiefe Gräben. So pflegten bislang alle anderen bayerischen Bischöfe eine Aversion gegen Marx, der ihnen schon als Münchner Erzbischof vorgesetzt ist.

Die Kirche ist keine Partei

Und das führt doch wieder zu Kramp-Karrenbauer und der CDU. Nein, Kirche in Deutschland ist keine Partei. Und alle Wette - nicht alle Bischöfe wählen immer die Partei mit dem "C". Aber es geht um die Breite einer Volkspartei wie einer Volkskirche, um das Aushalten von Flügeln und Fraktionen, aber das Zusammenstehen im Geiste. Das, was die Werteunion für die CDU ist, gibt es tendenziell auch innerhalb des deutschen Katholizismus.

Ein Vorsitzender der Bischofskonferenz muss, so sagt man gerne, vor allem moderieren, Geduld haben und noch mal Geduld haben. In den Vollversammlungen der Bischöfe, die vielleicht aus guten Gründen nicht öffentlich sind, sollte jeder zu Wort kommen. Jeder der 69 Geistlichen sieht sich als Experten. Und alle sind alleinstehende Männer, die ihr Bistum führen, der eine im Basta-Stil, der andere dialogisch. Kardinal Marx, der sich in vielen Feldern beeindruckend engagiert und sicher oft bis zur eigenen Erschöpfung geht, ist nicht der größte Moderator. Er will - weil es Kirche braucht und weil Papst Franziskus dazu ermutigt wie kein Papst zuvor - den Aufbruch, die Sorge für alle Katholikinnen und Katholiken, nicht nur allein die treue Herde. 

Aus 69 Individualisten eine Gemeinschaft machen

Wer auch immer auf Marx folgen wird, steht vor dieser Herausforderung. Und die tatsächliche Segmentierung von Kirche, die mit der Segmentierung der Gesellschaft einhergeht, erfordert einen Aufbruch aller Bischöfe, ein Ziehen am selben Strang und in die gleiche Richtung. Darauf warten Missbrauchsopfer, darauf warten viele Gläubige in den Gemeinden und auch jene, die kirchlich gerne als Ungläubige vergessen werden, weil sie ihrer Kirche offiziell den Rücken gekehrt haben.

Die leichtere Übung wird es für die 69 Bischöfe sein, Anfang März in Mainz einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Die weit schwerere Übung folgt erst dann: Aus einer Konferenz der Individualisten eine geistliche und praktische Weggemeinschaft zu machen. Kardinal Marx, so scheint es, glaubt für sich nicht mehr daran.