Kommentar: Karikatur macht Hundsärger
4. November 2014Recep Tayyip Erdogan vergeudet immer öfter seine Energie mit Belanglosigkeiten. So beschimpfte der türkische Präsident vor einigen Tagen rauchende junge Leute in einem Straßencafé, weil sie im Angesicht der Nummer eins im Staate Türkei ihre Zigaretten nicht ausgedrückt hatten. Majestätsbeleidigung! Und die kann mitunter Folgen nach sich ziehen. Jeder Journalist, der es wagt, sich kritisch über Erdogan zu äußern, riskiert seinen Job. Jedes Medienunternehmen, das sich nicht in gebührender Ehrerbietung ihm gegenüber zeigt, ist vom Zorn des Staatsführers bedroht.
Ein Hund namens Erdogan
Erdogan agiert inzwischen mit allen Allüren eines osmanischen Sultans. Wer anders denkt oder gar spricht als er, der kann sich auf ein Nachspiel gefasst machen. Das funktioniert freilich nur in der Türkei. In Europa, wo Medien, Gewerkschaften, Parteien und Bürgerinitiativen unter dem Schutz demokratischer Grundrechte stehen, muss niemand Rücksicht auf die Empfindlichkeiten Erdogans nehmen.
Im vorliegenden Fall ist es ganze drei Jahre her, dass zwei Zeichner anlässlich der 50-Jahr-Feier des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens in einer großen deutschen Sonntagszeitung die Integration von Türken in Deutschland mit bayerischem Witz karikiert haben. Zu sehen ist eine mit dem Namen Erdogans beschriftete Hundehütte mit einem als bösartig dargestellten Köter an der Kette. Was damals Zeitungsleser belustigte, hat mittlerweile Einzug in ein baden-württembergisches Schulbuch gefunden.
Die Zeichner sind zu kritisieren, weil sie den Stellenwert von Hunden in manchen Kulturen wie eben auch in der Türkei entweder nicht beachtet oder wissentlich ignoriert haben. Hunde sind in der Wertschätzung der Türken ganz unten angesiedelt. Sie gelten als schmutzig und lästig. Ausgerechnet einen Hund nach Erdogan zu nennen, das ist schon eine respektlose Provokation. Doch in modernen Gesellschaften gehören mediale Provokationen von Politikern und Parteien zum demokratischen Alltag - manchmal hart an der Grenze der Beleidigung.
Nicht tolerant, nicht souverän
Wäre diese Zeichnung nicht in ein Schulbuch aufgenommen worden, wäre sie weiterhin kein Thema gewesen. Die Einbestellung des deutschen Botschafters in Ankara ist der vorläufige Höhepunkt des einmal mehr von einer Lappalie verursachten Hundsärgers zwischen Ankara und Berlin. Leider bleibt Erdogan noch sehr weit davon entfernt, demokratisch tolerant und staatsmännisch souverän zu bleiben. Er fremdelt noch sehr stark mit der Demokratie, die er nach seinen Vorstellungen beugen möchte.