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Politik

Kataloniens Separatisten proben den Staatsstreich

Leo Wieland Kommentarbild App PROVISORISCH
Leo Wieland
8. September 2017

Das spanische Verfassungsgericht sagt zwar Nein, aber das Referendum über die Unabhängigkeit von Katalonien soll dennoch stattfinden. Am Zerfall Spaniens kann niemand Interesse haben, meint Leo Wieland.

Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/M. Oesterle

Spanische Separatisten, seien es Basken oder Katalanen, genießen mancherorts im europäischen Ausland noch immer gewisse, längst unzeitgemäße Sympathien. Da wirkt die Erinnerung an die Franco-Diktatur nach, während der regionale Sprachen, Kulturen und politische Regungen im Zeichen eines großspanischen Nationalismus unterdrückt wurden. Doch das ist vier demokratische Jahrzehnte her. Und inzwischen ist es umgekehrt: Da scheitern Eltern, wenn sie in Katalonien oder im Baskenland auf ihrem Recht pochen, ihre Kinder in der Landessprache unterrichten zu lassen. Statt dessen wird immer intensiver eine eindimensionale linguistische Zwangsernährung praktiziert.

Maximale Autonomierechte

In keinem Land der Europäischen Union haben Regionen so viele Autonomierechte wie in Spanien - auch nicht in den deutschen Bundesländern, unter denen ein Solidaritätsprinzip gilt, welches den iberischen Separatisten zutiefst zuwider ist. Weil sie inzwischen außer mehr Geld kaum noch etwas verlangen können, bleibt ihnen am Ende der Fahnenstange nur noch die Forderung nach einem eigenen Staat.

Leo Wieland war von 2002 bis Ende 2016 Korrespondent in Madrid für die Frankfurter Allgemeine ZeitungBild: privat

Die Basken, die das vor einigen Jahren schon versuchten, scheiterten an einer massiven Absage in den spanischen Cortes. Nun schicken sich die Katalanen an, eine Art kalten Staatsstreich auf die Spitze zu treiben. Am 1. Oktober soll, ohne alle rechtsstaatlichen Garantien, ein improvisiertes Referendum über eine Unabhängigkeit stattfinden. Die dazu Mitte der Woche im Regionalparlament zu Barcelona verabschiedeten Gesetze sind eindeutig verfassungswidrig, was das höchste Gericht in Madrid ja auch postwendend bestätigt hat. Die spanische Carta Magna sieht keine regionale Abstimmung über eine Abspaltung vor. Einheit und Souveränität gehen nämlich alle Spanier an. Sie müssten also über einen Bruch mit Katalonien abstimmen. Der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy sind also die Hände gebunden. Sie kann die Separatisten nicht einfach gewähren lassen.

Der spanische Rechsstaat schert die katalanische Regionalregierung unter Ministerpräsident Carles Puigdemont schon viel zu lange viel zu wenig. Auch ihre Referendumsgesetze waren, was Inhalt, Verfahren und Unterdrückung aller Einwände der Oppositionsparteien angeht, einer Bananenrepublik würdig. Wenn so eine katalanische Republik, manipuliert von einer verblendeten politischen Klasse, aussehen würde, dann hätte die EU allen Grund, einen Mitgliedsantrag zu fürchten.

Die Mehheit der Katalanen will keinen Bruch

Die Separatisten haben zwar im katalanischen Parlament dank einer verbündeten linksradikalen Anarchistengruppe eine fragile Mehrheit. Die bislang schweigende Mehrheit der Katalanen will aber laut Umfragen den Bruch mit Spanien nicht. Den Lärm auf den Straßen, das werden die nächsten Wochen noch weisen, besorgen hingegen die sogenannten Katalanisten. Madrid hat unter Ministerpräsident Rajoy bisher den offenen Konflikt gescheut und erfolglos zu einem Dialog mit Dialogunwilligen aufgerufen.

Nun muss der Regierungschef aber Farbe bekennen, auch wenn es in Barcelona zu Protesten und gehöriger Frustration kommt. Eine Balkanisierung der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Eurozone wäre ein Wahnwitz. Sie brächte allen Beteiligten unter Schmerzen und handfesten Nachteilen ein iberisches Brexit-Chaos. Daran kann kein Partner Spaniens ein Interesse haben.

Madrid braucht Rückenstärkung aus Brüssel

Bei aller Aversion gegen eine Einmischung in innere Angelegenheiten, bräuchte Madrid in dieser größten internen Herausforderung seit Francos Tod und dem Übergang zur Demokratie, auch aus Brüssel Rückenstärkung. Die Separatisten in Katalonien, die sich als in der Wolle gefärbte Europäer ausgeben, aber leider nicht einmal mit ihren unmittelbaren Nachbarn auskommen können, leben vom Konflikt. Ihre Politiker haben den Bürgern schon allzu lange und mit allzuviel Demagogie und kreativer Geschichtsschreibung die Köpfe heiß gemacht. Sie nähren sich davon. Mit ihnen ist daher nicht gut Kirschen essen, erst recht nicht, wenn ihr Beispiel anderswo - wie etwa in Belgien - noch Schule machen sollte.

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