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Gesellschaft

Abschiedsgrüße aus Chile

DW Jenny Perez
Jenny Perez
18. Mai 2018

Noch nie in der Geschichte der katholischen Kirche hat eine nationale Bischofskonferenz geschlossen ihren Rücktritt angeboten. Doch der Schritt der chilenischen Bischöfe ist ein überfälliges Zeichen, meint Jenny Perez.

"Meinen Frieden gebe ich Euch" - mit diesen Fahnen warb die katholische Kirche für den Papstbesuch im JanuarBild: picture-alliance/dpa/NurPhoto/F. Lavoz

Das Rücktrittsangebot der Bischöfe ist historisch - und eine klare Botschaft an die katholische Weltkirche, die seit Jahren von Missbrauchsvorwürfen geschüttelt wird, ob in Deutschland, Irland, Australien oder Mexiko. Eine Geste, die endlich den Pakt des Schweigens und die Verleugnung der Opfer durchbricht. Und diese Geste trägt die Handschrift von Papst Franziskus. Sie macht deutlich, in welchem Ausmaß der Papst eine Selbstreinigung der Kirche erwartet.

Endlich Null-Toleranz

In Chile wird das Prinzip der Null-Toleranz gegenüber sexuellem Missbrauch im Schoß der Kirche endlich vollständig durchgesetzt. Es war Benedikt XVI., der es einführt hat, es ist Franziskus, der es jetzt vollendet. Ein Schritt, der lange von ihm erwartet wurde. Erst nachdem Franziskus eine kirchenrechtliche Untersuchung durch den nach seinen Ermittlungen in Mexiko als "Scharfrichter" bekannten maltesischen Bischof Charles Scicluna vornehmen ließ, kamen nun auch die Bischöfe Chiles zur Einsicht. Jahrelang hatten sie geschwiegen, obwohl sie die Vorwürfe gegen den früheren Priesterausbilder Fernando Karadima kannten. Sie haben geschwiegen, obwohl sie die Hilfeersuchen der Opfer kannten. Und geschwiegen haben sie selbst dann noch, als der Papst zu seinem höchst umstrittenen Besuch nach Chile kam.

DW-Redakteurin Jenny Perez stammt aus Chile

Diese Rücktrittsofferte trägt nun die Handschrift genau jenes Papstes, der noch Anfang des Jahres den Bischof Juan Barros in Schutz nahm - jener Barros, der die Vergehen von Karadima gedeckt hatte. Die Kehrtwende von Papstes Franziskus, die er beim Besuch der chilenische Bischöfe diese Woche im Vatikan klar formuliert hat, lässt nur einen Schluss zu: dass er noch vor wenigen Monaten tatsächlich falsch informiert war, in die Irre geführt von der chilenischen Kirchenhierarchie. Die kirchenrechtliche Untersuchung nämlich inzwischen zu Tage gebracht, dass Dokumente sowie Anschuldigungen der Opfer verschwunden und Beweise zerstört worden sind. Papst Franziskus hat deswegen seinen Besuchern dieser Woche sehr deutlich gemacht, dass einzelne Rücktritte nicht mehr ausreichen. Sondern vielmehr die Strukturen untersucht werden müssen, die zu solchen Ereignissen geführt haben.

Nun blieb den chilenischen Bischöfen kein Ausweg mehr. So verstehen es die Opfer von Karadima, und so versteht es auch das chilenische Volk, an welches die knappe Erklärung mit dem Rücktrittsangebot ebenfalls gerichtet war. Verlesen wurde sie übrigens von Juan Ignacio González, demselben Bischof, der noch vor wenigen Wochen im Interview mit der Deutschen Welle keine Krise der Kirche in Chile sehen wollte und auch keinen Grund für ein "mea culpa". Es habe ja keine gravierenden Fehler gegeben. Heute heißt es stattdessen in der Erklärung wörtlich: "Wir haben unsere Ämter zur Verfügung gestellt wegen der gravierenden Fehler, die wir mit den Delikten der Vertuschung und der Unterlassung begangen haben."

Die Gläubigen wollen eine gereinigte Kirche zurück

Vorerst bleiben die 34 Bischöfe in ihre Ämtern - solange, bis der Papst über jeden einzelnen entschieden hat. Auch wenn aus Sicht der Missbrauchsopfer alle gemeinsam gehen müssten, wird die Entscheidung sehr wahrscheinlich je nach Grad der Verstrickung der Bischöfe unterschiedlich ausfallen.

Die wichtigste Frage aber bleibt weiterhin offen: wie Chile seine Seele zurückbekommt. Das Land, das bis vor wenigen Jahren als katholische Hochburg Südamerikas par excellence galt. Ein Land, in dem die katholische Kirche mit ihren Bischöfen unendlich viel für die Opfer der Diktatur getan hat, für die Armen und die Obdachlosen. Es ist diese Kirche, die Papst Franziskus, die chilenischen Gläubigen und die katholischen Christen in aller Welt zurück wollen.

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