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Kommentar: Kein Geld für ein Taliban-System

Peter Philipp 21. März 2006

Einem Mann in Afghanistan droht die Todesstrafe, weil er zum Christentum übergetreten ist. Die Geberländer müssen sich einmischen, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

Dem Afghanen Abdul Rahman droht die Todesstrafe, weil er Christ wurdeBild: AP

Der frühere Bundesverteidigungsminister Peter Struck ließ sich einst zu der Erklärung hinreißen, die Demokratie werde auch "am Hindukusch verteidigt". Er meinte in erster Linie die Demokratie im Westen, aber man sollte vielleicht auch etwas mehr an die Demokratie in der Region selbst denken - um die ist es nämlich weiterhin sehr schlecht bestellt. Wahlen und eine Verfassung alleine sind noch keine Demokratie. Beispiele hierfür gibt es viele. Aber jetzt erleben wir einen besonders krassen Fall: Da droht einem Afghanen, der lange in Deutschland gelebt hatte und hier zum Christentum übergetreten war und letztes Jahr in seine Heimat zurückkehrte, die Todesstrafe, weil solche Übertritte nach der Scharia - dem muslimischen Gesetz - verboten sind.

Kein neues Afghanistan

Der Mann hatte wohl etwas zu viel Vertrauen in das neue Afghanistan, von dem George W. Bush, die Europäer und auch der afghanische Präsident Hamid Karsai immer wieder sprechen. Dieses neue Afghanistan gibt es nicht: Der Staat ist laut Verfassung weiterhin eine islamische Republik und es dürfte dem angeklagten Konvertiten ziemlich gleichgültig sein, dass dies eine „gemäßigte Form“ einer islamischen Republik sein soll. Denn bei allem Respekt vor den Religionen: Den Übertritt von einer zur anderen Religion mit dem Tode zu bestrafen, erinnert nur allzu sehr an das Regime der Taliban, das doch angeblich der Vergangenheit angehört.

Und es ist nicht westliche Arroganz, wenn man sich jetzt - besonders in der deutschen Politik - einmischt und Präsident Karsai klar zu machen versucht, dass es so nicht geht. Besonders Deutschland will den Afghanen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben und nach welcher Facon sie selig werden sollen. Aber Deutschland hat doch auch ein Recht und eine Pflicht, sich in solch einem Fall einzumischen: Die Deutschen schicken nicht Soldaten, NGOs und Abermillionen Euros nach Afghanistan, um dort ein politisches System aufzubauen und zu festigen, das einige der wichtigsten Grundwerte unseres Gesellschaftssystems so nachhaltig mit Füßen tritt.

Finanzielle Hilfe unzumutbar


Ein ähnliches Dilemma wie bei der Frage der Hamas: Natürlich will man den Palästinensern nicht vorschreiben, wen sie zu wählen haben. Wenn dies aber Leute sind, die gegen unsere Grundregeln verstoßen - hier die Unantastbarkeit eines anderen Staates - dann müssen wir einen Strich ziehen. Solange die Hamas Israel zerstören will, darf sie nicht auf unsere Hilfe zählen. Und solange in Afghanistan die Menschenrechte so eklatant ignoriert werden wie in dem drohenden Urteil, können, ja dürfen wir darüber nicht zur Tagesordnung übergehen.

Deswegen ist es gut, dass sich deutsche Politiker über den Fall bestürzt geäußert haben. Dabei aber darf es nicht bleiben: Es kann nicht angehen, dass deutsche Soldaten und deutsche Steuerzahler ein System stützen, das so grundlegend verletzt, was längst Allgemeingut des internationalen Menschenrechts ist. Deutsche und europäische Hilfe ist unter solchen Voraussetzungen unzumutbar. Die Verantwortlichen in Kabul müssen das einsehen und die Konsequenzen daraus ziehen. Sonst müssen diese Konsequenzen anderswo gezogen werden: Wenn man am Hindukusch nicht die Demokratie für Afghanistan verteidigen kann, dann wohl erst recht nicht für Deutschland und die westliche Welt.

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