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Politik

Keine Aufbruchstimmung in Mali

DW Kommentatorenbild Katrin Gänsler ***PROVISORISCH***
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Katrin Gänsler
30. Juli 2018

In Mali fanden am Sonntag Präsidentschaftswahlen statt, abgesichert durch eine massive Präsenz internationaler Truppen. Insgesamt tragen diese aber nur wenig zur Stabilisierung des Landes bei, meint Katrin Gänsler.

Bild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Das Positive vorweg: Nach Einschätzung von Cécile Kyenge, Chef-Wahlbeobachterin der Europäischen Union, hat es am Wahltag keine gravierenden Zwischenfälle in Wahllokalen und auf den Straßen Malis gegeben. Problemlos ist die Wahl dennoch nicht verlaufen. Verschiedene Beobachter-Bündnisse sprechen von gestohlenen Wahlurnen im Norden, von Angriffen auf Wahllokale sowie von Einschüchterungsversuchen. Noch ist außerdem nicht klar, wie viele der gut 23.000 Wahllokale überhaupt öffneten. Das Ausmaß der Beeinträchtigungen ist zwar weit weniger gravierend als im Vorfeld befürchtet. Dennoch zeigt es, dass das Land mit seinen knapp 18 Millionen Einwohnern trotz zahlreicher Militärmissionen in weiten Teilen instabil und unsicher geblieben ist.

DW-Korrespondentin Katrin Gänsler

Dabei sind europäische Soldaten nirgendwo sonst in Afrika so präsent wie in Mali. Alleine Frankreich stellt im Rahmen der Mission "Barkhane" 4.500 Soldaten. Die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen ("MINUSMA") kommt auf knapp 13.300 Mann, darunter fast 700 Angehörige der Bundeswehr. Sie beteiligt sich außerdem an der europäischen Ausbildungsmission (EUTM), die mit 580 Soldaten in Koulikoro, 60 Kilometer von Bamako entfernt, die malische Armee schulen soll. Die Liste lässt sich fortsetzen. In Mali dürften heute etwa vier bis fünf Mal so viele nationale und internationale Soldaten stationiert sein als noch zu Jahresbeginn 2012. Damals gelang es zuerst Tuareg-Rebellen und später islamistischen Gruppierungen den Norden zu besetzen und zu kontrollieren.

Die MINUSMA ist vielerorts ein Fremdkörper

Heute gibt es zwar ab und zu Erfolgsmeldungen aus dem Norden, doch oft werden diese schnell von neuen Angriffen überschattet. Ein Grund dafür ist, dass etwa die MINUSMA viel zu wenig Rückhalt in der Bevölkerung hat. Positiv aufgenommen wurde zwar die Unterstützung im Rahmen der Wahlen, deren Organisation - beispielsweise beim Transport der Wahlunterlagen - sonst sehr viel komplizierter gewesen wäre. Doch in Gao etwa wirkt sie wie ein Fremdkörper, über den überall in der Stadt gespottet wird: Sie schütze nur sich selbst, heißt es dort mit Blick auf das wie ein Hochsicherheitstrakt geschützte "Camp Castor" in der Nähe des Flughafens. 

Doch nicht nur das: Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International (AI) werfen der malischen Armee vermehrt Gewalt vor, darunter etwa rechtswidrige Erschießungen. Dabei haben mittlerweile mehr als 60 Prozent der Soldaten an EUTM-Kursen teilgenommen, die auch für die Einhaltung grundlegender Menschenrechte sensibilisieren sollen.

Krise in Zentralmali viel zu lange ignoriert

Besonders problematisch ist allerdings die Entwicklung in Zentralmali. Die Region rund um die Stadt Mopti galt noch vor fünf Jahren als relativ sicher. Neben dem Süden wird vor allem dort am Ufer des Nigers Landwirtschaft betrieben, Malis wichtigste Einnahmequelle, die rund 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Allerdings nehmen seit 2015 die ethnischen Ausschreitungen zu. Erst vergangene Woche starben 17 Menschen bei Djenné. Während sich Angriffe im Norden des Landes oft gegen die internationalen Streitkräfte richten, ist hier vor allem die lokale Bevölkerung betroffen. Ähnlich wie der Beginn der Tuareg-Revolte 2011 ist auch dieser Konflikt viel zu lange ignoriert worden.

Die Regierung hat damit viel Vertrauen eingebüßt. 2013 gab es dieses bei den Wahlen noch. Doch von der damaligen Aufbruchstimmung ist in Mali heute kaum noch etwas zu spüren. Dabei ist Vertrauen im Kampf gegen Terroristen und ethnische Auseinandersetzungen ebenso wichtig wie gut ausgebildete Soldaten. Doch ist dieses erst einmal hin, werden sich Menschen jenen Gruppen anschließen, die für den Moment den größten Schutz versprechen, um ihr Überleben zu sichern. Der Staat verliert hingegen immer mehr an Einfluss.

So schwierig es in manchen Regionen des Landes auch ist: Der Staat muss mehr Präsenz zeigen. Dafür muss zuerst Sicherheit geschaffen werden, da diese die Grundlage für Entwicklung ist. Wichtig ist aber auch, in Infrastruktur zu investieren. Malier beklagen sich längst nicht nur über die mangelnde Sicherheit, sondern über alltägliche Schwierigkeiten: Das Schulsystem ist marode; junge Menschen – 66 Prozent sind jünger als 25 Jahre – finden kaum Jobs sowie Unterstützung für Geschäftsgründungen; Krankenhäuser sind vielerorts heruntergewirtschaftet, wenn sie überhaupt noch existieren. 

Auf die neue Regierung kommen also zahlreiche Herausforderungen zu. Eins muss ihr dabei von Anfang an klar sein: Sie muss Krisen und Konflikte frühzeitig erkennen, ernst nehmen und die Bevölkerung bei der Lösung mit einbinden. Nur so wird sie dort Rückhalt finden. Und der ist für die Schaffung von anhaltendem Frieden unabdingbar.

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