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Ebola-Hysterie

Volker Wagener17. Oktober 2014

In West-Afrika sterben sie zu Tausenden. Keine Frage, Ebola wütet. Und in Europa und den USA werden wir gleich hysterisch wegen einer Handvoll Infizierter. Ganz schön zynisch, findet Volker Wagener.

Männer desinfizieren das Zimmer des Ebola-Patienten Thomas Eric Duncan (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/Larry W. Smith

Ebola ist wie der Klimawandel. Anderswo schlägt er zu, in Bangladesch oder Australien, mit Sintfluten und Dürren, denen Tausende zum Opfer fallen, aber in Deutschland herrscht gefühlte Panik. Was in fernen Ländern tatsächlich passiert, schürt unsere Ängste. Katastrophen in Afrika oder Asien treffen einen Nerv bei uns. Unsere Existenzangst, the german angst. Wir bedauern das Schicksal der anderen zutiefst, sorgen uns aber übertrieben um unser eigenes Wohl. Denn wir wollen immer alles im Griff haben. Dafür tun wir vieles, manchmal alles. Wir sind überversichert, werden immer älter, gehen früh in Rente und "gestalten" unser Leben. Unser Kennzeichen ist die Vollkasko-Mentalität. Am liebsten würden wir uns jetzt gegen den Ebola-Tod versichern. Ganz schön paranoid, nicht!

Die US-Achillesferse: Epidemievorsorge

Und auch das große Amerika hat eine neue Bedrohung entdeckt. Gegen Ebola sind sie ratlos. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten dürfte es in jedem Provinz-Drugstore in Alaska Anti-Klapperschlangenserum auf Lager geben. Gegen Epidemien aber ist die US-Bürokratie vergleichsweise hilflos, mindestens aber kopflos. Trotz umfänglicher Warnungen der Gesundheitsbehörde CDC schickte eine Klinik in Dallas einen fiebernden Liberianer nach Hause. Der Mann hatte eine Krankenschwester infiziert.

In einem anderen Fall ließ man eine Ebola-Erkrankte zusammen mit 132 Passagieren von Cleveland nach Dallas fliegen. Professioneller Umgang mit einer todbringenden Krankheit sieht anders aus. Kein Wunder, dass mehr als ein Viertel der US-Amerikaner Angst vor dem Virus hat. Auf Twitter ist die Hölle los. "Ebola ist hier!", heißt es in einem Tweet. Das klingt fast so, als sei Bin Laden wieder da.

Volker Wagener, DW-RedakteurBild: DW

Seuchen im Zeitalter des Massenverkehrsmittels Flugzeug

Natürlich hat die Angst in der sogenannten Erste Welt auch viele rationale Hintergründe. Die dilettantischen Begleitumstände beim Flug der Ebola-Infizierten nach Dallas bescheren den USA im schlimmsten Fall genau das, was in Westafrika das schon seit 1976 bekannte Virus zur Katastrophe werden lässt: die Folgen exponentiellen Wachstums eines Todes-Virus. Potentiell 132 Mitreisende könnten sich angesteckt haben. Und wenn es nur drei oder fünf wären – sie alle trügen das Ebola-Virus in sich und könnten es in einem Zeitraum von drei Wochen an alle in ihrem Umfeld übertragen: zuhause, im Büro, beim Einkaufen. Und das in der mobilen Gesellschaft USA. Ein GAU.

Kontrollverlust als Angsttreiber

Soweit muss es nicht kommen. Die wichtigsten Waffen gegen Ebola sind Kenntnisse über Hygiene und Infektionskrankheiten, Schutzkleidung und vor allem gesunder Menschenverstand, sagen Mediziner. Alles gegeben im Westen! Kurz: fachlich und organisatorisch ist alles vorbereitet, doch das hilft wenig, wenn die Ängste irrationaler Natur sind. Das treibt auch paradoxe Blüten.

Jahr für Jahr sterben im reichen Überversorgungs-Deutschland Tausende an einer ganz banalen Grippe, weil sie sich dagegen nicht haben impfen lassen. Selbst an längst vergessenen Kinderkrankheiten wie Mumps, Masern oder Röteln kommen im 21. Jahrhundert Erwachsene zu Tode wegen einer vergessenen oder – noch schlimmer – nicht akzeptierten Schutzimpfung. Auch die Volkskrankheiten Herzinfarkt, Schlaganfall oder Alkoholismus schrecken den Zeitgenossen weniger, sind sie doch Folge unseres guten Lebens, das wir so ungern einschränken wollen.

Aber Ebola, das schockt. Weil es aus Afrika kommt - dem Kontinent, den die Erste Welt ohnehin nur mit Kriegen, Krankheiten und Katastrophen verbindet. Afrika im Kampf gegen die Krankheit zu helfen, zum Beispiel durch Spenden an die dort engagierten Hilfswerke, kommt kaum jemanden in den Sinn. Die eigene Angst pflegen und Panik schüren ist ja auch viel bequemer. Aber angesichts dessen, was West-Afrika gerade durchmacht, unsagbar zynisch!

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