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Politik

Keine Waffen in den Jemen!

Sollich Rainer Kommentarbild App
Rainer Sollich
5. September 2019

Wer Waffen an die kriegsführenden Parteien im Jemen liefert, macht sich mitschuldig an der dortigen humanitären Katastrophe, sagen die UN. Auch Deutschland muss sich angesprochen fühlen, meint Rainer Sollich.

Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Gambrell

Bis Ende September muss die Bundesregierung in Berlin eine schwierige Entscheidung treffen. Sie muss entscheiden, ob Deutschlands sogenannter "Waffenexport-Stopp" gegen "unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligte Länder" beendet wird, verlängert oder sogar verschärft. Der Druck, das Embargo weiter aufzuweichen oder gar zu beenden, ist spürbar und kommt insbesondere von den europäischen Partnerländern Frankreich und Großbritannien sowie von der heimischen Waffenindustrie: Die europäischen Partner mahnen zur "Vertragstreue" bei Gemeinschaftsprojekten in einer Region, in der Europa heute kaum verlässliche Partner finden kann. Die Waffenindustrie fürchtet um ihre Geschäfte und warnt vor dem Verlust einheimischer Arbeitsplätze.

Moralische Pflicht

Es ist richtig, dies alles zu bedenken. Und es ist ebenfalls richtig, dass Außen- und Außenwirtschaftspolitik nicht alleine moralischen Prinzipien folgen kann: Die kriegsführenden Parteien im Jemen beziehen ihre Waffen aus unterschiedlichen Quellen, die teils wenig bis gar keine Hemmungen haben, mit einem grausamen Krieg gutes Geld zu verdienen. Die Kriegsparteien im Jemen sind für ihr tägliches Bombardieren und Töten keineswegs zwingend auf ungebremsten Nachschub aus deutschen Rüstungsschmieden angewiesen. Wie notwendig ist es also, den Konfliktparteien vor Ort weiterhin deutsche Waffengüter vorzuenthalten, wenn letztlich andere Akteure die Lücke füllen und damit vielleicht noch "besser" am Sterben im Jemen verdienen?
Es ist trotzdem notwendig. Ich halte es sogar für eine politische und moralische Pflicht! Denn dass andere Länder wenig Bedenken haben, Rüstungsgüter oder militärisch nutzbare Komponenten an kriegsführende Parteien zu liefern, darf für politische Entscheidungsträger in Deutschland kein Grund sein, dies ebenfalls zu tun. Dies widerspricht allen außenpolitischen Werten und Zielsetzungen, die die Bundesrepublik seit ihrer Gründung stolz vor sich her trägt. Und es widerspricht - wenn schon nicht eindeutig dem Wortlaut - so doch klar dem Geist des deutschen Grundgesetzes. Außerdem ist es in der Politik wie im Leben: Wenn niemand bereit ist, mit einem wichtigen Anliegen vorzupreschen, dann kann sich an der Situation auch insgesamt nichts schnell ändern.

DW-Redakteur Rainer Sollich

Wer verdient am Sterben?

Erst am Dienstag dieser Woche hat ein UN-Bericht noch einmal schockierend verdeutlicht, wie brutal sämtliche Kriegsparteien im Jemen vorgehen. Sie beuten das Land geradezu für ihre strategischen Zwecke und für ihren Stellvertreter-Krieg vor allem zwischen Iran und Saudi-Arabien aus. Die von Saudi-Arabien angeführte arabische Kriegskoalition bombardiert skrupellos immer wieder zivile Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäuser. Die vom Iran unterstützen Huthi-Rebellen feuern ebenfalls in Wohngebiete und müssen sich genau wie ihre Gegner Folter, Vergewaltigungen und Verschleppungen vorwerfen lassen. Überdies gibt es laut UN Hinweise, dass die Kriegsparteien trotz katastrophalen humanitärem Notstands Menschen absichtlich aushungern lassen, um den Kriegsverlauf zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Es ist ein schmutziger und menschenverachtender Krieg, bei dem keine der beteiligten Parteien "saubere Hände" vorweisen kann, wie einer der Autoren des UN-Berichts treffend anmerkte. Das gilt auch für ihre externen Unterstützer: Wer Waffen dorthin liefert, macht sich klar mitschuldig! Auch die UN machen eigens darauf aufmerksam, dass die Waffenlieferungen Irans, aber auch der USA, Frankreichs und Großbritanniens zumindest als eine mögliche Komplizenschaft bei Kriegsverbrechen betrachtet werden müssen.

Wenn Ende September über eine Verlängerung des deutschen Waffenexport-Stopps für die Länder des Jemen-Kriegs entschieden wird, dann darf es also nicht darum gehen, dieses weiter aufzuweichen. Es sollte im Gegenteil deutlich verschärft werden. Denn es gibt skandalös viele Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen, so dass oppositionelle Kritiker in Deutschland wie die Grünen bereits von einem "Placebo-Erlass" sprechen, der nur die Öffentlichkeit beruhigen soll. Ein markantes Beispiel für die vielen Schlupflöcher des Embargos sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die allein in der ersten Jahreshälfte 2019 Rüstungslieferungen im Wert von mehr als 206 Millionen Euro aus Deutschland beziehen durften. Dabei sind und bleiben die VAE auch nach ihrem jüngsten Strategiewechsel gegenüber den Saudis und ihrem angeblichen Truppenrückzug militärisch tief in den Jemen-Krieg involviert und statten dort verbündete Milizen und Söldner mit modernen Waffen aus. Auch diese Waffen können Menschen töten.

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