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Kommentar: Kenia braucht Frieden und Einheit

Andrea Schmidt10. März 2013

Was bedeutet der knappe Wahlsieg für Kenia und welche Herausforderungen liegen vor dem neuen Präsidenten, der in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist? Dazu ein Kommentar von Andrea Schmidt.

Das politische Kalkül von Uhuru Kenyatta ist aufgegangen. Der Sohn des Gründervaters Kenias, Jomo Kenyatta, hatte sich bei diesen Wahlen mit seinem Erzrivalen William Ruto verbündet. Das Bizarre an dem Wahlausgang ist: Beiden Politikern wirft der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Sie hatten mutmaßlich ihre Anhänger nach den Wahlen 2007 gegeneinander aufgehetzt. Mehr als 1200 Tote und Hunderttausende Vertriebene waren die Folge.

Die meisten Kenianer wählen traditionell Vertreter ihrer eigenen Volksgruppen. Das haben sie auch dieses Mal wieder getan. Parteiprogramme waren nachrangig. Viele Kenianer profitieren davon, weil die Regierenden bisher immer ihre eigene Ethnie bevorzugten und ihr wichtige wirtschaftsrelevante und politische Posten übergaben. Kenyatta ist der politische Anführer der Kikuyu, der größten ethnischen Gruppe. Sein Vizekandidat, William Ruto gehört als Kalenjin der viertgrößten Ethnie an. Im Parteienbündnis "Jubilee Alliance" mobilisierten "Uhuruto", wie die beiden Politiker in Kenia genannt werden, ihre Anhänger gemeinsam. Damit wollten sie verhindern, dass der zweite Spitzenkandidat auf das Präsidentenamt, Raila Odinga, ein Luo, die Wahl gewinnt.

Andrea Schmidt, Leiterin der Kisuaheli-Redaktion bei der Deutschen WelleBild: DW

Für Raila Odinga war es die dritte Präsidentschaftskandidatur. Wie bei den vergangenen Wahlen 2007 fühlt er sich um den Wahlsieg betrogen, will vor Gericht die Rechtmäßigkeit des knappen Wahlergebnisses anzweifeln. Vorrangig ist jetzt, dass das Verfassungsgericht die Manipulationsvorwürfe klärt und weiterhin wirklich alle Seiten das Wahlergebnis akzeptieren. Die Stabilität und Einheit des Vielvölkerstaats muss gefördert werden und der nationale Frieden muss bewahrt werden.

Kenyatta ist der vierte und jüngste Präsident Kenias. Nicht nur die Kenianer schauen auf ihn, die ganze Welt beobachtet, was jetzt passiert. Kenyatta muss beweisen, dass er nicht nur der Präsident seiner Volksgruppe ist, sondern der Präsident aller Kenianer. Er muss seine Allianz mit William Ruto zusammenhalten, die Reformen - wie in der neuen Verfassung vorgesehen - vorantreiben. Besonders wichtig dabei ist die Reform der Polizei, der brutale Menschenrechtsvergehen vorgeworfen werden und die bislang noch nie geahndet worden sind.

Der Sieg des 51-jährigen Kenyatta, der in den USA an der Eliteuniversität Amherst Politik und Wirtschaft studierte, kann zu diplomatischen und wirtschaftlichen Konsequenzen führen. Der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, betont, dass bis zum Gerichtsurteil für Kenyatta wie für alle andere Angeklagten auch zunächst die Unschuldsvermutung gelte. Die ursprünglich für April geplanten Gerichtsverhandlungen sind gerade verschoben worden - für Ruto auf Mai, für Kenyatta auf Juli.

Eine Verurteilung könnte das Land, das stark vom Tourismus abhängig ist, in eine prekäre Lage bringen. Kenia ist wichtig für die Stabilität in der gesamten Region, wird mit seiner langen Grenze mit dem benachbarten Somalia als Bollwerk gegen die militanten Islamisten der al Shabaab gesehen. Kenia könnte Sudan als Pariastaat folgen. Der Sudan ist bisher das einzige Land mit einem Präsidenten, gegen den vom Internationalen Strafgerichtshof ein Haftbefehl beantragt wurde.

Neben dem bevorstehenden Prozess gegen Kenyatta und Ruto könnte vor allem die ungerechte Landverteilung eines der größten Probleme des neugewählten Präsidenten werden. In der Vergangenheit gab es in Kenia immer wieder Kämpfe mit vielen Toten um die Landnutzung. Der Kenyatta-Familie gehören neben dem größten Molkereiunternehmen des Landes, 5-Sterne-Hotels, Medien und Banken auch riesige Ländereien. Uhuru Kenyattas Vater hatte als erster Präsident nach der Unabhängigkeit die Landenteignung durch die Kolonialmacht nicht rückgängig gemacht, sondern seiner ethnischen Volksgruppe große Landesgebiete zugeschoben, die ursprünglich den Kalenjin, Luo und Kamba gehörten.

Uhuru Kenyatta muss jetzt beweisen, dass er der Präsident aller Kenianer ist. Das Misstrauen der anderen Volksgruppen ist groß. Für seine Anhänger ist er ein Held. Für andere symbolisiert er die korrupte Elite des Landes.

Vor 50 Jahren wurde Kenias Unabhängigkeit eingeleitet mit dem Ruf 'Harambee' - 'Wir stehen alle zusammen!'. Jetzt muss er ein weiteres Mal in die Tat umgesetzt werden.

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