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Politik

Kinderpornographie - die absolute Herausforderung

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
9. Juni 2018

Das BKA schlägt Alarm: Die Zahl kinderpornographischer Inhalte im Netz steigt rasant an. Der strenge deutsche Datenschutz behindere aber oft die Aufklärung. Hier besteht dringender Reformbedarf, meint Kersten Knipp.

Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi

Die Zuwächse sind enorm: 6500 Fälle von Kinderpornographie wurden im Jahr 2017 bekannt, das sind über 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Noch dramatischer ist die Entwicklung bei Jugendpornographie. Dort stieg die Anzahl bekannt gewordener Fälle auf rund 100, das ist nahezu ein Viertel mehr als im Jahr zuvor.

"Gelegenheit macht Diebe" hieß es früher. Die Logik des Spruchs gilt auch in digitalen Zeiten: Wo das Netz neue Möglichkeiten der Kriminalität bietet, werden sie genutzt. Das Internet, genauer: dessen krimineller Unterbau, das "Darknet", ist Raum eines gewaltigen Marktes, auf den "Anbieter" reagieren. Sie liefern die Bilder - Bilder, die sie vor einigen Jahren noch nicht in der Masse produziert hätten, weil es keinen geeigneten Markt dafür gab, genauer: weil Anbieter und Nachfrager nicht zueinander fanden. Diese Lücke hat das Darknet geschlossen. Darum - und ganz wesentlich darum - existiert dieser Markt, und zwar in immer gewaltigerem Ausmaß: Etwa 80.000 Webseiten mit Kinderpornographie existieren weltweit.

Rörig: "Anstieg härtester Szenen"

Der Markt wächst nicht nur quantitativ - auch die Qualität verändert sich. Der Missbrauchsbeauftragte des Bundes, Johannes-Wilhelm Rörig, schlug diese Woche Alarm und sprach von einem "Anstieg härtester, auch sadistischer Gewaltszenen" sowie einer "zunehmenden Zahl von Missbrauchsabbildungen von Kleinkindern und Babys".

DW-Autor Kersten Knipp

Auch diese Steigerung entspricht der Logik des Netzes: Wenn es nach oben keine Grenzen gibt, werden die Bilder immer härter und brutaler. Die harte Szene weckt die Begierde auf eine noch härtere, auf die absehbar dann eine nochmals gesteigerte folgt. Grenzen setzt allein die Phantasie.

"Sexualstraftäter dürfen sich nicht mehr sicher fühlen"

Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. "Sexualstraftäter dürfen sich nicht mehr sicher fühlen", sagte Rörig - zu Recht. Die Vorratsdatenspeicherung wäre ein Mittel, das durchzusetzen. Allerdings wäre der Preis hoch, er wird mit unserer Freiheit bezahlt. Wir werden zu gläsernen Menschen.

In den USA ist man das Problem auf andere Weise angegangen: Provider unterliegen einer Meldepflicht. Jegliches Material, das unter den Verdacht der Kinderpornographie fallen könnte, müssen die Provider der Polizei melden.

Das ist insofern problematisch, als den Unternehmen selbst die Rolle einer "Internet-Polizei" zufällt. Außerdem könnten sie irgendwann auch zur Preisgabe anderer persönlicher Inhalte gezwungen werden, bei rassistischen, urheberrechtsverletzenden, betrügerischen und staatsbedrohenden Inhalten, möglicherweise aber auch bei niederschwelligeren Anlässen.

Legitimität absoluter Grenzen

Die Gefahr ist ernst zu nehmen. Sie rührt an ein grundsätzliches Problem, das insbesondere in Deutschland an Grundfesten rührt: Ist unser Recht auf Persönlichkeitsschutz, auf den Schutz unserer privaten Daten, auf digitale Selbstbestimmung absolut? Das sollte so sein. Aber ein Verbrechen wie Kinderpornographie zwingt uns zur Güterabwägung. Denn auch das Recht der Kinder auf Unversehrtheit ist absolut. Im Zweifel zählt es sogar höher. Das führt zu einer Konsequenz: Das absolute Recht der digitalen Selbstbestimmung ganz vorsichtig zu beschneiden, ohne dass ein Dammbruch daraus entsteht. Kinder können sich nicht schützen. Dies zu tun, sind die Älteren ihnen schuldig - absolut!

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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