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Politik

Kriegspartei Deutschland

26. Oktober 2016

Deutschlands Rüstungsexporte sind erneut gestiegen. Auch die nach Saudi-Arabien. Da das Ölscheichtum Krieg führt im Jemen, wird Deutschland mit seinen Waffenlieferungen zur Kriegspartei, meint Matthias von Hein.

Bild: REUTERS/Thomas Peter

"Die Bundesregierung betreibt eine zurückhaltende, verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik." Das ist der auf der Webseite des Wirtschaftsministeriums wohlklingend formulierte Anspruch. Seit der Veröffentlichung des jüngsten Rüstungsexportberichts ist klar: Deutschland wird diesem Anspruch nicht gerecht. Nicht nur liegen fünf der zehn wichtigsten Abnehmer deutschen Kriegsgeräts in Spannungsgebieten. Vor allem: Mit der Verdreifachung der Waffenverkäufe an Saudi-Arabien auf fast 500 Millionen Euro wird Deutschland zumindest indirekt Kriegspartei im Jemen.

Zur Erinnerung: Seit eineinhalb Jahren bombt der reichste Staat der arabischen Welt das ärmste Land der Region in Schutt und Asche. Die Folge des Eingreifens in den innerjemenitischen Konflikt: Tausende ziviler Opfer - Anfang Oktober zum Beispiel starben bei einem saudischen Luftangriff auf eine Trauergemeinde in Sanaa 140 Menschen. Krankenhäuser wurden so häufig bombardiert, dass die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" ihre Mitarbeiter aus dem Land abgezogen hat. Nach UN-Angaben sind drei Millionen Menschen im Land selbst auf der Flucht; für über die Hälfte der 25 Millionen Jemeniten ist die Versorgung mit Nahrung nicht mehr gesichert. Die Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Koalition haben nichts zur Beilegung des Konflikts beigetragen. Profitiert haben bislang allein Al-Kaida und der jemenitische Ableger des sogenannten "Islamischen Staates".

Saudi-Arabien ein "stabilisierender Faktor"?

Der Rüstungsexportbericht weist aus: Saudi-Arabien ist mittlerweile der drittgrößte Waffenkunde Deutschlands. Und die Lieferungen bestanden zu mehr als 90 Prozent aus Gerät für die Luftwaffe: Teile für Kampfflugzeuge, Hubschrauber, Flugzeuge, Luftbetankungsausrüstung. Wer in Berlin kann verbindlich erklären, dass nichts davon im Jemen zum Einsatz kommt?

DW-Redakteur Matthias von Hein

Deutsche Waffenausfuhren werden mit dem Hinweis begründet, Saudi-Arabien sei ein "stabilisierender Faktor" im Nahen Osten. Mit Blick auf den Export des wahabitischen Islams und der Finanzierung dschihadistischer Kräfte kann man diese Darstellung auch jenseits des Jemens in Zweifel ziehen.

Geradezu lächerlich wirkt in Bezug auf Saudi-Arabien die Behauptung im Rüstungsexportbericht, "der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland wird besonderes Gewicht beigemessen". Der "Economist" zählt Saudi-Arabien zu den zehn autoritärsten Staaten der Welt. Amnesty International attestiert dem Ölscheichtum die massive Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Nur ein Beispiel: Der Träger des "Freedom of Speech Award" der Deutschen Welle, der Blogger Raif Badawi, muss aktuell mit einer weiteren Auspeitschung rechnen.

Nur ein minimaler Anteil der Exporte wurde abgelehnt

Die traurige Bilanz dieses Rüstungsexportberichtes wird auch nicht durch den stolzen Hinweis besser, immerhin 34 Anträge auf Ausfuhrgenehmigungen im Wert von 9,6 Millionen Euro seien abgelehnt worden. Allein die Ausfuhren nach Saudi-Arabien waren rund 50-mal so viel Wert. Und bezogen auf die Gesamtsumme von gut vier Milliarden Euro für die ersten sechs Monate wurden gerade mal 0,25 Prozent der Exportsumme abgelehnt. Wie da die Autoren des Berichts zu der Einschätzung gelangen, die Bundesregierung habe die "Rüstungsexportpolitik deutlich restriktiver gestaltet als in vergangenen Legislaturperioden", bleibt ihr Geheimnis.

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