Zweifel an Iran-Strategie
11. Juli 2008Im Mittelpunkt des nahöstlichen Sommertheaters steht weiterhin die Frage, ob die Region auf einen militärischen Konflikt mit dem Iran zusteuert, oder ob es vornehmlich Säbelrasseln ist, was Medien und Politiker gleichermaßen immer wieder aufs Neue beschäftigt. Eine einheitliche Einschätzung gibt es dabei keineswegs - wie die Reaktionen auf den Test-Abschuss iranischer Raketen in den letzten Tagen verdeutlichten: Die Erklärungen westlicher und israelischer Politiker und Experten reichen von "neuer iranischer Provokation" bis hin zur Behauptung, die Filmaufnahmen seien im Computer manipuliert und "dramatisiert" worden. Einig scheint man sich nur in einem Punkt: Der Iran wird gewarnt, nicht weiter mit dem Feuer zu spielen und die Situation anzuheizen.
Solches wäre durchaus eine berechtigte Aufforderung, wenn man in den letzten Wochen ähnliches auch an die Adresse anderer gerichtet hätte: Etwa, als Israels Vize-Premier Shaul Mofaz offen einen israelischen Angriff auf den Iran androhte. Oder wenig später, als Israel in ungewohnter Offenheit in einem groß angelegten Luftwaffenmanöver südlich von Griechenland einen Luftangriff auf den Iran simulierte. Auch US-Amerikaner und Briten gossen Öl ins Feuer, als sie dieser Tage Seemanöver im Persischen Golf abhielten. Vor dem Hintergrund wachsender politischer Bemühungen in Washington, den Kongress auf eine Seeblockade des Iran einzustimmen, ist das eine Maßnahme, die üblicherweise einer Kriegserklärung nahe kommt.
Schweigen über Atommacht Israel
Zu all diesen Vorgängen waren weder Kritik, noch besorgte Nachfragen zu hören. Natürlich erst recht kein Hinweis darauf, dass der Iran seit Jahren über die jetzt abgefeuerten Raketen verfügt und dies natürlich hinreichend bekannt ist. Wie auch bekannt ist, aber nie auch nur die geringste Kritik auslöste, dass die Atommacht Israel seit gut 20 Jahren ähnliche Raketen besitzt und angeblich auch schon einen verbesserten Typ mit 6000 bis 7000 Kilometer Reichweite entwickelt hat.
Diese Diskrepanz in Wahrnehmung und Reaktion lässt sich wohl nur damit erklären, dass es im vorliegenden Fall für die meisten eben ausgemachte Sache ist, wer hier der Spitzbube ist. So, wie im Atomstreit mit Teheran überhaupt: Es gibt keine Beweise; Vermutungen und Verdächtigungen reichen im Fall des Iran, um diesen in die Knie zwingen zu wollen. Und wehe, wenn dieser dann in zugegeben theatralischer Weise vor den Folgen eines Angriffs warnt oder seine Verteidigungsbereitschaft demonstriert.
Polemik des Westens nutzt den Hardlinern
Es ist sicher nicht nur böse Absicht, die solch ein Missverhältnis entstehen ließ und am Leben hielt. Es sind auch die immer wieder erneuerten Ausfälle und Attacken des iranischen Präsidenten gegenüber Israel und den USA, die solches nähren. Mahmoud Ahmadinedschad wird genau deswegen aber immer häufiger im Iran selbst kritisiert. Langsam sollte man in Washington und Jerusalem, aber auch in Berlin und anderswo erkennen, dass man diesen Kritikern nur in den Rücken fällt und die Hardliner in Teheran stärkt, wenn man einen solch einseitigen Kurs gegenüber dem Iran fortsetzt.