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Politik

Lukaschenko pokert um die Macht

31. Juli 2020

Die Festnahme russischer Söldner in Weißrussland entsetzt den Kreml. Angeblich wollten sie das Land destabilisieren. Aber Präsident Alexander Lukaschenko will sich nur selber retten, meint Konstantin Eggert.

Schwieriges Verhältnis: Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko (l) und sein russischer Kollege Wladimir Putin (r)Bild: picture-alliance/dpa/S. Karpukhin

Die mysteriöse Geschichte der angeblichen russischen Söldner der geheimnisvollen paramilitärischen Wagner-Truppe schockiert die Öffentlichkeit in Russland und Belarus. Sie werden vom weißrussischen Geheimdienst - im Sowjetstil treffend KGB genannt - festgehalten.

Die Behörden beschuldigen die Russen, vor den Präsidentschaftswahlen am 9. August die Lage in Weißrussland destabilisieren zu wollen. Präsident Alexander Lukaschenko, der das Land seit 1994 regiert, sieht sich einer geschlossenen und entschiedenen demokratischen Opposition gegenüber - es könnte der härteste politische Kampf seines Lebens werden.

Lukaschenko verlangt eine Erklärung von Russland. Moskau hat im Gegenzug jede Beteiligung bestritten.

Bizarres Verhalten russischer Söldner

Manche Einzelheiten im Verhalten der 32 Festgenommenen, die die weißrussischen Staatsmedien schildern, klingen völlig absurd. Die muskelbepackten Russen fielen den Sicherheitskräften angeblich auf, weil sie - anders als die üblichen russischen Touristen - keinen Alkohol tranken oder Unterhaltungsangebote wahrnahmen. Zudem trugen sie militärische Kleidung.

Die komplette Gruppe hatte nur drei Koffer, aber die waren so schwer, dass sie nur mehrere Personen gemeinsam heben konnten. Die Söldner trugen Aufnäher mit Slogans wie: "Unser Geschäft ist der Tod, und das Geschäft geht gut." Anonyme Mitarbeiter der weißrussischen Sicherheitskräfte sagten gegenüber dem Staatsfernsehen, dass die Inhaftierten zu "russischen Machtstrukturen" gehörten - ein Begriff, der im russischen Sprachgebrauch Armee und Geheimdienst meint.

Drei Versionen des Geschehens

Laut russischen Medienberichten war Belarus lange Umschlagpunkt für russische Söldner auf dem Weg in afrikanische Länder wie Sudan, Libyen und die Zentralafrikanische Republik. Falls das stimmt, dann wäre es nur möglich, wenn Lukaschenko es persönlich absegnet.

Konstantin Eggert ist russischer Journalist

Insgesamt gibt es drei mögliche Versionen des Falles. Die erste ist die offizielle: Dass russische Söldner tatsächlich ins Land gekommen sind, um die Situation dort eskalieren zu lassen und Präsident Lukaschenko zu stürzen. Das ist nicht besonders glaubwürdig. Denn potentielle Putschisten arbeiten üblicherweise im Verborgenen und tragen keine verrückten Aufnäher auf ihrer Kleidung.

Die zweite Version besagt: Russlands Präsident Wladimir Putin kann Lukaschenko zwar nicht leiden, aber ein möglicher Sieg seiner demokratischen Gegner passt Putin noch weniger. Darum hat der Kreml Minsk die Söldnertruppen "geliehen", damit der weißrussische Präsident politische Spannungen anheizen, seine Gegner verleumden oder vielleicht sogar die Wahlen komplett absagen kann.

In der Alice-im-Wunderland-Welt weißrussischer Politik ist das nicht ausgeschlossen. Aber es ist auch ein umständlicher und gefährlicher Schritt für den notorischen Kontrollfreak Putin.

Version Nummer drei erscheint bisher am plausibelsten. Lukaschenko schwankt regelmäßig zwischen seiner Selbstdarstellung als Verbündeter Russlands und standhafter Verteidiger der weißrussischen Unabhängigkeit von Moskau. Es ist durchaus möglich, dass er glaubt, der Kreml wolle ihn absägen und durch einen Moskau-freundlichen Oppositionspolitiker ersetzen, mit dem die Russen besser zusammenarbeiten können.

Drei Botschaften von Lukaschenko

Darum erscheint es am wahrscheinlichsten, dass Lukaschenko beschlossen hat, ein Signal sowohl nach Moskau als auch an seine heimischen Rivalen zu senden, indem er die Sicherheitskräfte angewiesen hat, sich die arglosen russischen Söldner zu schnappen, die auf ihrem üblichen Weg nach Afrika waren.

Weißrussische KGB-Offiziere nehmen einen mutmaßlichen Söldner festBild: picture-alliance/AP/State TV and Radio Company of Belarus/Belarusian KGB

Damit hat Lukaschenko drei Botschaften versandt. An Putin: "Misch dich nicht in mein Revier!" An die Opposition: "Nehmt euch vor meinen Notfallmaßnahmen in acht!" Und an den Westen: "Falls ihr keine Putin-Marionette in Minsk wollt, arrangiert euch mit meinem Regime!"

Interessanterweise haben die weißrussischen Staatsmedien auch eine Liste mit den Namen der Festgenommenen veröffentlicht - ein klarer Affront gegen Moskau. Russische und ukrainische Experten haben einige der Personen auf der Liste umgehend als Teilnehmer des Kriegs in der Ostukraine identifiziert, die für die von Russland unterstützten Separatisten arbeiten.

Kiew hätte gerne, dass sie wegen mehrerer Anklagepunkte ausgeliefert werden. Falls die Ukraine darum ersucht, wird Lukaschenkos Antwort zeigen, ob er bereit ist, seiner Anti-Moskau-Rhetorik Taten folgen zu lassen und die Söldner den ukrainischen Behörden zu überstellen. Es ist allerdings ziemlich sicher, dass er das nicht macht.

Auch die Opposition ist im Visier

Gleichzeitig versuchen die Behörden, den populären Blogger Sergej Tichanowski mit den Söldnern in Verbindung zu bringen und werfen ihm "Anstiftung zum Massenaufstand" vor. Das berichtet seine Frau Swetlana Tichanowskaja, eine führende Oppositionskandidatin. Tichanowski sitzt wegen mutmaßlich falscher Beschuldigungen in Haft.

Alles hängt jetzt vom Ausgang der Wahl am 9. August ab. Der weißrussische Präsident erwartet vermutlich, dass die Opposition das Ergebnis nicht anerkennt und Massenproteste organisiert. Wahrscheinlich wird er die Söldner- und Putsch-Geschichte als Propagandamittel nutzen, um hart gegen alle Dissidenten durchzugreifen.

Nachdem Lukaschenko die Proteste - wie er hofft, wirksam - niedergeschlagen hat, könnte er die festgehaltenen Russen leise ziehen lassen. Es ist nicht in seinem Interesse, die Beziehung zu Putin über das hinaus zu strapazieren, was er zum Machterhalt braucht. Falls Lukaschenko allerdings die Söldner-Geschichte weiter treibt, beispielsweise mit einem Prozess, gilt die Wette nicht mehr. Und Putin ist nicht für Vergeben und Verzeihen bekannt.

Die Morde von Minsk - Ein Kronzeuge bricht sein Schweigen

28:35

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