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Politik

Lust auf Jamaika?

3. November 2017

Welches Schauspiel wird uns da in Berlin geboten? Wochenlang sondieren vier Parteien herum und wirken schon zum Beginn ihrer Zusammenarbeit so, als hätten sie keinen Spaß aneinander, meint Christoph Strack.

Zu viele Leute, die mit der Sache eigentlich nichts zu tun haben. Bei den Jamaika-Sondierungen geht es nur mühsam voran Bild: picture alliance/dpa/W. Kumm

Nun haben sie zum Abschluss des ersten Teils der Sondierungsgespräche alle Balsam gesprochen und gute Laune verkündet. Angela Merkel voran und nach ihr auch die Verhandlungsführer von FDP, Grünen und CSU. Merkel, die während knapp drei Wochen entschieden geschwiegen hatte, gibt die weitere Richtung vor: "Wir können die Enden zusammenbinden, wenn wir uns mühen und anstrengen." Damit alles gut werde…

Das soll ein Aufbruch sein?

Das also ist der Aufbruch, der Schwung des Projekts Jamaika. Durch die zu Ende gehende Woche lavierten und schleuderten die verschiedenen Lager regelrecht hindurch, auch mit gegenseitigen persönlichen Angriffen. "Diese Woche sollte sich in diesen Punkten nicht wiederholen", sagte am Freitag sogar CSU-Chef Horst Seehofer, der zu anderen Zeiten auch austeilen kann. Beim Einmarsch in die Parlamentarische Gesellschaft schauen sie alle ernst und - wenn sie denn überhaupt reden - äußern sich auch so. Aber zuviele Interviews jenseits der Gespräche klingen polternd. Je mehr, je lauter, je doller. Als wenn der Wahlkampf noch nicht vorbei wäre.

Christoph Strack ist Korrespondent im HauptstadtstudioBild: DW

Man darf getrost nach der Qualität und der politischen Einordnung solcher Sondierungsgespräche fragen. Ja, es gab sie auch schon auf Bundesebene vor eigentlichen Koalitionsgesprächen. Es gibt sie desöfteren auf Landesebene. Aber hier wie da jeweils kürzer, und hier wie da eher für die grundsätzliche Frage eines "Wollen wir? Wollen wir ernsthaft?"

Hier in Berlin sind bei den rund einen Monat dauernden Sondierungen insgesamt 52 Politiker beteiligt. Gerade einmal die Hälfte von ihnen gehört dem neuen Bundestag an; bei Liberalen und Grünen ist dieser Anteil höher, bei den Unionsparteien geringer. Und doch sollen dann nur die Bundestagsabgeordneten die Kanzlerin wählen und einer Regierungsbildung zustimmen, an der sie weithin gar nicht beteiligt waren. Im Idealfall, so heißt es in Berlin, könne das kurz vor Weihnachten passieren. Frieden zum Fest also, auch politisch.

Am Ende ist viel zu viel geregelt

Dann werden die Abgeordneten einen Koalitionsvertrag auf dem politischen Gabentisch liegen haben, der sie für vier Jahre zu bloßen Ausführungsorganen macht: Er wird viel zu umfangreich und viel zu detailliert sein. Und nicht wenige Abgeordnete werden - leise - grummeln. Dabei ist Deutschland stets so stolz auf seine "parlamentarische" Demokratie.

Schon in den vergangenen zwölf Jahren wurden diese Verträge länger und länger. Und doch zeigt der Rückblick, dass die großen Themen, bei denen es wirklich spannend wurde, in den Verträgen überhaupt kein Thema oder doch ganz anders skizziert waren: die Euro-Krise, der Atom-Ausstieg, der Wegfall der Wehrpflicht. Politisches Handeln bekommt seine Reife in solch nicht erwarteten, unüberschaubaren Momenten. Und gerade der kurzfristige Beschluss für die "Ehe für alle" zum Ende der vergangenen Legislaturperiode zeigte, dass das Parlament, von Zwängen der Fraktionen befreit, gute und überfällige Entscheidungen mit klaren Mehrheiten treffen kann.

Im zweiten Teil der Sondierungen soll alles besser werden und noch ernster, beschworen die Spitzenkräfte an diesem Freitag. Man darf gespannt sein. Und man bleibt doch ein wenig skeptisch.

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