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Politik

Malta ist eine Warnung

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
2. Dezember 2019

Malta hat sich innerhalb von wenigen Jahren in einen von Kriminellen unterwanderten Staat verwandelt. Eine Mahnung an die EU, dass der Kampf um die Rechtsstaatlichkeit viel früher einsetzen muss, meint Barbara Wesel.

Demonstranten auf Malta zeigen regelmäßig das Bild der ermordeten Journalistin Daphne Caruana GaliziaBild: Getty Images/AFP/M. Mirabelli

Kein Drehbuchautor würde es wagen, die Einzelheiten in der Saga um die Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia auf Malta zu erfinden. Zu absurd und beinah künstlich erscheinen Personal und Szenarien, quasi alle bekannten Filmmotive kommen darin vor. Ein "Consigliere" hinter dem Regierungschef, der als Strippenzieher des Inselstaates die dunklen Geheimnisse kennt oder selbst ihr Urheber ist. Skrupellose Geschäftsleute, Superreiche aus Russland und Nahost, ihre Yachten, Geldkoffer, Spielkasinos, zweifelhafte Banken, Auftragskiller und ein Mordkomplott, das am Ende aufflog. 

Premier Joseph Muscat und sein Kabinettschef Keith Schembri haben auf Malta eine Machtergreifung wie aus dem Lehrbuch inszeniert. Sie taten alles, um Geld auf die Insel zu bringen, egal wie zweifelhaft dessen Herkunft. Sie bauten eine Casino-Industrie als perfekte Geldwaschanlage auf. Banken auf der Insel drücken regelmäßig mehr als beide Augen zu. Die Vergabe öffentlicher Aufträge wurde zum Wettbewerb der Korruption. Und ausländische Oligarchen, auf der Suche nach einem EU-Pass, konnten ihn auf Malta gegen gute Bezahlung einfach kaufen. Die Yachten all dieser "Geschäftsleute" liegen zu Hunderten in den Häfen der Insel. Hier kann man sogar diskret kommen oder gehen.

Amtsinhaber systematisch korrumpiert

Mit dem herein strömenden Geld korrumpierte die Regierung systematisch alle, die Amt und Würden hatten. Sie schuf gut bezahlte Arbeitsplätze für ihre Parteigänger und großzügige Stipendien für Studenten. Und weil der politische Einfluss auf die schwachen Institutionen der Insel sowieso übermächtig ist, war es einfach, Justiz und Polizei zu alimentieren und unter Kontrolle zu bringen. Am Ende steht eine Art Mafiastaat, der zwar diskret unter der Oberfläche funktioniert, aber alle Lebensbereiche umfasst - von Lizenzen für Taxifahrer bis zum Kraftwerksbau.

Europa-Korrespondentin Barbara Wesel

Einziger Hoffnungsschimmer in diesem Drama: Die bislang zumeist unpolitischen Bürger der sonnigen Inseln beginnen seit dem Mord an der Journalistin eine echte Zivilgesellschaft zu formen. Proteste werden organisiert und quer durch die Generationen wächst der Widerstand gegen die Zustände. Wenn Demonstranten dieser Tage vor dem Regierungssitz "Mafia, Mafia" und "Mörder" rufen, wenn sie nach Gerechtigkeit verlangen, dann zeigen sie, dass sie nur zu gut verstehen, was in ihrem Land passiert.

Der Wohlstand auf Malta hat einen hohen Preis, er zerstört die Moral und untergräbt die Demokratie. Man darf sich nichts vormachen - Premier Joseph Muscat hat immer noch seine Anhänger. Viele, denen er zu Arbeit und Pfründen verholfen hat, verteidigen ihn und sein System weiter. Und der Regierungschef klammert sich bis zum letzten Moment an sein Amt. Aus Angst vor drohender Strafverfolgung oder weil noch Papier geschreddert, Mails gelöscht und Festplatten geleert werden müssen?

Das Erbe von Daphne

Die Familie der ermordeten Journalistin aber, die eine ziemlich einsame Kämpferin gegen den kriminellen Sumpf auf Malta war, mag es als ihr Vermächtnis ansehen, dass sich inzwischen bei vielen Bürgern endlich Widerstand regt, und dass Kollegen international versuchen, ihre Arbeit fortzusetzen.

Für die EU aber sollte der Fall Malta eine Warnung sein. Sie kann daran ablesen, wie schnell eine politische Gruppierung ein Land handstreichartig übernehmen kann. Er zeigt, dass schwache Institutionen keinen Schutz vor ihrer Aushöhlung durch Korruption und Macht bieten können. Und er ist auch ein Beispiel dafür, wie sich solche Prozesse beinahe unmerklich, nach Außen harmlos, vollziehen können.

Das warnende Beispiel macht deutlich, dass im Kern des europäischen Projektes Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung liegen. Sie sind kein schmückendes Beiwerk, sondern unabdingbare Basis für das Funktionieren unserer freiheitlichen Demokratien. Hier hat Europa wieder einmal weggeguckt und frühe Mahnungen oder Berichte in den Wind geschlagen.

Unseliges System der Parteienpatronage

Dahinter steht das unselige System der Parteienpatronage in Brüssel. Die Sozialdemokraten haben die sogenannte "Labour Party" von Joseph Muscat jahrelang vor Angriffen geschützt. Ebenso wie die Gruppe der Christdemokraten die noch viel üblere Zerstörung der ungarischen Demokratie durch Viktor Orban jahrelang gedeckt hat. Dieses System trägt selbst dazu bei, die demokratische Ordnung und die politische Glaubwürdigkeit zu zerstören. Es ist einfach ekelhaft und destruktiv.

Die neue Kommission in Brüssel hat jetzt die Chance, den durchgängigen und dauerhaften Erhalt der Rechtsstaatlichkeit zu einer ihrer Kernaufgaben zu erheben. Und das Parlament muss aufhören, als Schutzherr für unentschuldbare Zustände aufzutreten. Denn was immer in Malta passiert ist - Europa trägt eine Mitschuld, weil wieder einmal niemand rechtzeitig eingegriffen hat.

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