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Kommentar: Mehr als eine Regierungskrise

Peter Philipp14. November 2006

Die Entscheidung zugunsten eines internationalen Tribunals im Fall Hariri bringt die libanesische Regierung in Bedrängnis. Mit dem Rücktritt von sechs Ministern suchen pro-syrische Kräfte die offene Konfrontation.

Porträtfoto des Kommentators Peter Philipp

Die libanesische Regierung hat der Einrichtung eines internationalen Gerichtshofes zur Verhandlung des Mordes am früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri zugestimmt und es dürfte nun nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Vereinten Nationen und die libanesische Justiz beginnen die Verdächtigen anzuklagen und abzuurteilen.

Der libanesische Ministerpräsident Fouad Siniora gab sich nach dem Beschluss zuversichtlich: Selbst der Rücktritt von sechs Ministern seines Kabinetts habe die Regierung nicht handlungsunfähig gemacht. Vor allem stehe die Regierung weiterhin auf dem Boden des Gesetzes und habe nicht - wie Präsident Emile Lahoud am Wochenende verkündete - jede Legitimität verloren.

Ernsthafter Machtkampf

Ein wenig Zweckoptimismus und Trotz ist aber schon dabei, wenn Siniora sich so selbstbewusst zeigt, denn seine Regierung ist in den letzten Tagen doch in arge Bedrängnis geraten. Manche Libanesen rätseln bereits, wie lange diese Regierung wohl noch im Amt bleiben wird.

Andere fürchten sogar den erneuten Ausbruch eines Bürgerkrieges, denn der Auszug der sechs Minister ist nicht eine einfache Regierungskrise, sondern der Ausdruck eines ernsthaften Machtkampfes: Die sechs - fünf Schiiten und ein Christ - gehören allesamt zu den pro-syrischen Kräften im Land, deren Machtposition sich nach dem Hariri-Mord im Februar 2005 und dem daraufhin erzwungenen Rückzug der syrischen Truppen drastisch verschlechtert hatte.

Erst mit dem Krieg im vergangenen Sommer haben diese Kräfte wieder Rückenwind bekommen: Die von Syrien (und dem Iran) unterstützte Hisbollah hatte sich gegen die israelischen Angriffe behaupten können und fordert nun mehr Einfluss in der Regierung.

War sie bisher mit nur einem Mitglied und einem Sympathisanten im Kabinett vertreten, so fordert sie jetzt ein Drittel der Sitze - und damit eine Sperrminorität. Angesichts der Tatsache, dass die Schiiten mit 40 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe darstellen, eigentlich gar keine so abwegige Forderung. Sie ist aber nicht durch das gegenwärtige Wahlgesetz und den vor Jahrzehnten festgelegten Proporz zwischen Christen und Muslimen gedeckt.

Ein Land kommt nicht zur Ruhe

Statt nun aber einfach eine Reform dieses alten Systems anzustreben, fordert man Premier Siniora heraus. Denn er ist ja auch der exponierteste Vertreter der anti-syrischen Front im Libanon. Die pro-syrischen Kräfte - neben Hisbollah auch die schiitische "Amal"-Bewegung, die Anhänger des von Damaskus geförderten christlichen Staatspräsidenten Lahoud und die des christlichen Präsidentschafts-Aspiraten Michel Aoun - werfen nun Siniora vor, sich dem Westen an den Hals geworfen zu haben und mit der Akzeptanz eines robusteren Mandats der UN-Truppe ("UNIFIL") auch Israels Interessen zu dienen.

Die Gegner Sinioras können dabei auf Erklärungen verweisen, die zum Beispiel aus Berlin zu hören waren. Nämlich, dass die Teilnahme an der UNIFIL der Sicherheit Israels diene. In Wirklichkeit aber geht es diesen Gruppen natürlich darum, die Macht der Hisbollah - und damit den syrischen und iranischen Einfluss im Libanon - nicht zu beschneiden. Siniora wiederum weiß aber, dass genau dies erforderlich ist, wenn das Land zur Ruhe kommen soll. Die nächsten Wochen und Monate dürften spannend werden.

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