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Meine Heimat trauert

Daniel Pelz25. März 2015

Die westfälische Kleinstadt Haltern am See steht unter Schock: 16 Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen des örtlichen Gymnasiums waren an Bord der Unglücksmaschine. DW-Redakteur Daniel Pelz stammt aus Haltern.

Ein Meer aus Grabkerzen vor einem Gymnasium in Haltern, Nordrhein-Westfalen. 16 SchülerInnen und zwei Lehrerinnen der Schule waren an Bord des abgestürzten Germanwings-Fluges.
Bild: Getty Images/I. Fassbender

Vor wenigen Tagen erst habe ich auf die Website des Joseph-König-Gymnasiums geschaut. Ich habe mir ein Foto des Lehrerkollegiums angesehen, weil ich neugierig war, wer an meiner alten Schule unterrichtet. 1996 habe ich das Gymnasium verlassen. Es lächelten mir viele junge, hoffnungsvolle Gesichter entgegen. Die meisten sind mir unbekannt. Und nun sind zwei von ihnen tot. Auch das graue Gebäude mit den hässlichen gelben Jalousien aus den Fernsehnachrichten kenne ich. Hier habe ich diverse Mathearbeiten vergeigt, im Sportunterricht vergebens versucht, mal einen Ball zu treffen, und bin in einem Theaterstück als Gott auf der Bühne gestorben. Nun stehen da Kerzen und Blumen, massenweise.

Interesse ist kein Voyeurismus, sondern Mitgefühl

Haltern trauert. Das erste, was sie getan habe, als sie die Nachricht bekommen habe, war, im Geiste zu überlegen, welche ihrer Bekannten Kinder am Gymnasium haben, sagt meine Mutter am Telefon. Zu überlegen, welche Familien betroffen sind. Haltern hat 37.000 Einwohner, man kennt sich, mag sich nicht immer. Aber in diesem Moment denkt jeder an die Opfer und ihre Familien. Mit Sorge und Mitgefühl. Viel wurde am Dienstag in der Fußgängerzone gesprochen, Bekannte wurden angerufen, herumgefragt. Jeder möchte wissen, wer die Opfer sind. Nicht aus Voyeurismus, sondern aus Betroffenheit.

Die Gespräche werden auch in den nächsten Tagen nicht verstummen. Viele werden die Lokalzeitung aufschlagen und bang nach den Todesanzeigen suchen. Jeder will den Angehörigen sein Mitgefühl ausdrücken. Seit 15 Jahren lebe ich nicht mehr in Haltern, komme nur ab und an, um meine Eltern zu besuchen. Ich war froh, als ich das Joseph-König-Gymnasium verlassen konnte. Aber mit einem Mal ist das wieder meine Schule, meine Stadt.

DW-Redakteur Daniel PelzBild: DW/P. Henriksen

Die Hinterbliebenen jetzt nicht alleine lassen

Betroffen sehen wir Halteraner unserem Bürgermeister zu, wie er vor laufenden Kameras um Fassung ringt. Wir kennen ihn als jovialen, souveränen Stadtvater. Nun stehen ihm die Tränen in den Augen, und er drückt aus, was alle in Haltern fühlen. Christoph Metzelder, der frühere Nationalspieler, kondoliert via Twitter. Auch er hat am Joseph-König-Gymnasium sein Abitur gemacht.

Haltern will helfen. Eine sehr gute Freundin von mir ist ausgebildete Trauerbegleiterin. Sie will sich um die Hinterbliebenen kümmern, wird ihnen Hilfe anbieten. Damit ist sie nicht die einzige. Haltern ist keine heile Welt, hinter den hübschen Einfamilienhäusern liegt sonst manches im Argen. Aber: Viele halten hier zusammen, in der Freiwilligen Feuerwehr, den Sportvereinen, den Kirchen. Hoffentlich fühlen die Angehörigen der Opfer, dass sie nicht allein sind.

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