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Politik

Merkels Drahtseilakt in Afrika

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky
12. Oktober 2016

Die Bundeskanzlerin war in Mali, Niger und Äthiopien. Ihr Ziel, mit afrikanischen Partnern Fluchtursachen zu bekämpfen, lässt sich nicht so einfach erreichen, wie Merkel sich das vorstellt, meint Ludger Schadomsky.

Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Vielleicht waren die tief gezogenen Mundwinkel der Bundeskanzlerin ja den Reisestrapazen in den heißen Wüstenländern Mali und Niger und dem eng getakteten Protokoll geschuldet. Als die deutsche Regierungschefin am Dienstagvormittag nach ihrer Unterredung mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Hailemariam Desalegn in Addis Abeba vor die Presse trat, verriet ihr Gesichtsausdruck jedenfalls keine Festtagsstimmung. Merkels Sprecherin hatte vorab angekündigt, dass sich die Kanzlerin zur Menschenrechtslage in Äthiopien äußern werde. Dass sie am Ende derart deutliche Worte für die eklatanten Demokratiedefizite in Deutschlands Partnerland am Horn von Afrika finden würde, ist ihr hoch anzurechnen.

Sicherheitsanker Äthiopien

Drei Tage ist die Kanzlerin mit einem derart großen Medienecho durch Afrika getourt, dass die parallel stattfindende Reise des deutschen Außenministers durch Nigeria darüber fast vergessen wurde.

Sollte es der deutschen Delegation nach den Stationen Mali und Niger noch nicht gedämmert haben, machten die Äthiopier kurzen Prozess mit der Illusion, die Afrikaner würden als Partner im Kampf gegen Terror und Migration pflegeleichter sein als die Türken: Pünktlich zum Eintreffen der Kanzlerin wurde ein sechsmonatiger Ausnahmezustand verhängt, das Internet am Besuchstag abgeschaltet - Willkommenskultur geht anders für einen Partner, der in den vergangenen Jahrzehnten Hunderte Millionen Euro bereitgestellt hat.

Wenn das Gesicht wirklich der Spiegel der Seele ist, dann war die Mimik der Kanzlerin in Addis Abeba wohl Ausdruck einer fast unauflösbaren Bredouille: Sie braucht das autoritäre äthiopische Regime, da es 800.000 Flüchtlinge aus Somalia, Sudan und Eritrea beherbergt - so wie die Türkei rund zweieinhalb Millionen Syrer aufgenommen hat. In einer chronischen Unruheregion stellt Äthiopien aus Berliner Sicht noch immer einen Sicherheitsanker dar, obgleich bei Protesten gegen die Regierung in den vergangenen Monaten hunderte Menschen gestorben sind. Fordern die Deutschen zu viel, könnten die Äthiopier in Zukunft Flüchtlinge Richtung Europa durchwinken. Berlin will nicht tatenlos mit ansehen, wie schießwütige äthiopische Sicherheitskräfte den rund 30 Millionen Angehörigen des unterjochten Volkes der Oromo einen Fluchtgrund geben.

Unausgewogene Partnerschaft

Angesichts von 54 Einzelstaaten gibt es das Afrika und damit die eine Lösung nicht. Auch aus anderen Gründen wird die euphemistisch betitelte "Migrationspartnerschaft" nicht funktionieren. Denn die Deutschen und ihre "Partner" in Afrika haben völlig unterschiedliche Vorstellungen. Es sei wichtig, dass Afrika "nicht die besten Köpfe verliere", sagte die Kanzlerin in Addis. Das ist, mit Verlaub, naiv - die besten Köpfe Äthiopiens beispielweise fahren heute in Washington Taxi, weil sie zuhause keine Bleibeperspektive sehen. Berlin setzt sich für Jobprogramme ein - aber weil Jobs fehlen, ist die Schlepperei ein attraktives Berufsbild für viele junge Afrikaner geworden.

Die Drei-Tage-Reise war eine Lehrstunde: Wenn es Deutschland und Europa ernst ist mit Afrika, dann braucht es eine konzertierte europäische Lösung - das Gießkannenprinzip ist am Ende. Das kann ein "Marshallplan" sein, wie ihn der nigrische Präsident beim Treffen mit der Kanzlerin kess forderte, oder ein Entwicklungsfonds, der mehr ist als ein Brüsseler Gespenst. Das wird kosten - die drei Milliarden Euro "Honorar" für den Flüchtlingsdeal mit der Türkei haben sich bis nach Bamako und Addis herumgesprochen.

Demokratie nachbessern

Einiges macht Deutschland bereits richtig: Mit der Unterstützung der Afrikanischen Union (AU) setzt Berlin aufs richtige Pferd. Man kann diskutieren, ob man 30 Millionen Euro für den Neubau des Friedens- und Sicherheitsgebäudes der AU in Addis Abeba hätte ausgeben müssen. Vielleicht wären sie für den Aufbau einer Schnellen Eingreiftruppe besser angelegt. Fest steht: Kontinentale und, noch wichtiger, regionale Organisationen wie die Afrikanische Union müssen weiter gestärkt werden.

Das alles geht freilich nur, wenn Afrika mitzieht: Äthiopiens Premier wird sich messen lassen müssen an seinem Versprechen, das Wahlsystem nachzubessern und seine Sicherheitskräfte schulen zu lassen.

Wie sagte die Kanzlerin so programmatisch: "Das Wohl Afrikas liegt im deutschen Interesse." Mit den Präsidenten des strategisch wichtigen Tschads sowie Nigerias kommen in dieser Woche noch zwei politische Schwergewichte aus Afrika nach Deutschland. Manche würden sie allerdings eher Schurken nennen. Das macht klar: Der Drahtseilakt der Kanzlerin geht in die nächste Runde.

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