Mesut Özil hat sich via Twitter mit den Uiguren solidarisiert - und China damit verärgert. Die Aufregung um Özils klare Kante zeigt vor allem eins, meint Tobias Oelmaier: Sportstars stecken in einem echten Dilemma.
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Was macht ihn aus, den idealen Sportler, was macht sie aus, die ideale Sportlerin? Natürlich: der sportliche Erfolg. Aber inzwischen reicht dieser nicht mehr. Ein gutes Aussehen schadet sicher nicht, wenn man es zum Superstar bringen möchte. Personality, Ausstrahlung, ein lockerer Spruch hier, ein nettes Lächeln da. Und natürlich Millionen Follower bei Instagram, Facebook und Twitter. Damit wäre er/sie schon fast perfekt.
Das i-Tüpfelchen ist eine klare Kante. Ein Sportler mit eigener Meinung, einem echten Profil, das Medien und Fans schätzen. Alle fordern den mündigen Athleten, der etwas zu sagen hat. Sei es über den Trainer, über die Taktik, den Verband, über die Gegner oder eben auch zu politischen Themen. Das gilt vor allem dann, wenn Athletinnen und Athleten zu einem Sportereignis aufbrechen, das in einem Land stattfindet, in dem - zumindest aus westlicher Sicht - Demokratie, Menschenrechte oder Rechtsstaatlichkeit missachtet werden. Dann sollen Sportler nicht nur siegen, sondern auch politisch Position beziehen können.
Die Kraft der Prominenz
Authentisch ist das, wenn es aus tiefster Überzeugung geschieht. So wie beim Black-Power-Protest der afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko, bei Muhammad Ali und seinem Kampf gegen den Vietnamkrieg der USA und für Bürgerrechte, bei der australischen Sprinterin Kathy Freeman, die 1994 auf der Laufbahn auf die Diskriminierung der Ureinwohner auf ihrem Kontinent aufmerksam machte. Oder die jüngsten prominenten Beispiele: der Footballer Colin Kaepernick mit seinem Protest gegen Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA oder die US-Fußballerin Megan Rapinoemit ihrem Aufruf gegen Rassismus.
Sie alle traten ein für eine Sache, die ihnen wichtig ist und die weit über den Sport hinausreichte. Sie weckten damit aber unbeabsichtigt auch Erwartungen, dass sich auch andere Sportler Kraft ihrer Prominenz stark machen für die Schwachen und Unterdrückten. Längst sollen sich Fußballer zu Menschenrechtsverletzungen in Russland oder Katar äußern, da sollen Leichtathleten oder Ruderer die politische Situation in China oder die sozialen Ungerechtigkeiten in Brasilien bewerten. Egal, wie gut sie drin sind im Thema. Egal, wie viel Ahnung sie von gesellschaftlichen Zusammenhängen, von der großen Politik haben.
Sport, wo die Politik versagt
Der Sport, so scheint die allgemeine Erwartungshaltung, soll da ansetzen, wo die Politik versagt. Geschäfte mit China? Gerne, wenn sie unserer Wirtschaft dienen. Aber das IOC verurteilen dafür, dass es die Olympischen Spiele nach Peking vergibt. Eine zweite Ostsee-Pipeline von Russland nach Europa? Klar, der Energiehunger der modernen Gesellschaft will ja gestillt werden. Aber Schande über die FIFA dafür, dass sie die Fußball-WM 2018 in Russland hat stattfinden lassen.
Blöd nur, wenn sich ein Sportler so einlässt, wie es nicht dem aktuellen Mainstream entspricht. Womit nicht rassistische, menschenverachtende Kommentare gemeint sind. Die sind definitiv zu verurteilen und zu unterlassen. Aber nehmen wir nur das Beispiel Mesut Özil. Was herrschte in Deutschland für eine Aufregung, weil der Weltmeister kurz vor der WM 2018 mit dem türkischen Präsidenten Erdogan auf einem Foto posierte, ihn später sogar zu seinem Trauzeugen machte. Einen Mann wohlgemerkt, der das politische Mandat durch seine Bevölkerung hat, das Land zu führen. Man mag das für gut halten oder nicht. Die Empörung war groß und sorgte für das Ende der Nationalmannschafts-Karriere des gebürtigen Gelsenkircheners und für übles Nachkarten auf allen Seiten - von ihm selbst, von den Medien, vom Verband, von den Fans.
Viel schlimmer aber ist der Umgang des FC Arsenal mit dieser Situation. Der hat sich nämlich von Özils Tweet schnell distanziert. Es handele sich um die persönliche Meinung des Spielers, schrieb der Klub auf dem chinesischen Mikroblogging-Dienst Weibo. Warum diese wachsweiche Formulierung? Klar, weil Arsenal unter anderem an eine Restaurantkette in China beteiligt ist und weil man auch sonst - wie so viele europäische Konkurrenten auch - auf die Auslandsvermarktung im riesigen Reich der Mitte setzt. Man merke also: Sportler dürfen eine Meinung haben. Sie dürfen sie auch gerne äußern. Nur weh tun darf sie nicht. Zumindest dann nicht, wenn es wirtschaftliche Interessen berührt.
Sport und Politik: Nicht immer zu trennen
Arsenal-Profi Mesut Özil hat mit seinem Tweet über das Schicksal der Uiguren in China für Aufsehen gesorgt. Er ist nicht der einzige Sportler, der seine politische Haltung publik macht. Nicht immer ist das glücklich.
Bild: Reuters/L.Nicholson
Mesut Özil
Dieser Tweet schlägt hohe Wellen: Fußball-Profi Mesut Özil hatte der chinesischen Regierung vorgeworfen, die muslimische Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang zu verfolgen und in Arbeitslager zu sperren. Die Reaktion aus China ließ nicht lange auf sich warten: Die Live-Übertragung der Partie zwischen Özils FC Arsenal und Manchester City wurde kurzerhand abgesetzt.
Bild: Reuters/E. Keogh
Dennis Rodman
Schon mehrfach hat der Basketballer und ehemalige NBA-Star Dennis Rodman mit Reisen nach Nordkorea für Aufsehen und Unverständnis in den USA gesorgt. Seine freundschaftliche Beziehung zu Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un kam in der Heimat nicht gut an. Rodman wurde unter anderem vorgeworfen, sich wie eine Marionette behandeln zu lassen.
Bild: picture-alliance/dpa
Ilkay Gündogan und Mesut Özil
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich bei seinem Besuch in London im Mai 2018 auch mit den deutschen Fußballnationalspielern Ilkay Gündogan (links) und Mesut Özil (2. von links) getroffen. Das Treffen der beiden Sportler so kurz vor der Fußball-WM sorgt für Wirbel. In der Türkei stehen Ende Juni Präsidentschaftswahlen an. Erdogan will seine Macht weiter ausbauen.
Bild: picture-alliance/dpa/Uncredited/Presdential Press Service
Berti Vogts
Bei der Fußball WM 1978 in Argentinien trat der damalige Nationalspieler und spätere Nationaltrainer Berti Vogts in ein politisches Fettnäpfchen: "Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen", sagte Vogts über ein Land, in dem die Junta damals massenhaft Oppositionelle folterte und ermordete. Dieses Zitat wurde Vogts nie wieder los.
Bild: Imago/Sportfoto Rudel
Felix Baumgartner
Der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner, vor allem bekannt für seinen Fallschirmsprung aus der Stratosphäre aus knapp 40 km Höhe, sorgte Anfang 2016 für einen Sturm der Entrüstung: In einem Facebookpost hatte er den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán indirekt für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Der Politiker ist für seine rigorose Flüchtlingspolitik bekannt.
Bild: AP
Schweizer Nationalmannschaft
Qualifikation für die Fußball-Europameisterschaft 1996: Die Schweizer Fußballer entrollen während der Nationalhymne beim Spiel gegen Schweden ein Transparent "Stop it Chirac". Sie wollen damit gegen die französischen Atombombentests im Südpazifik demonstrieren. Die spontane Aktion, die im Nachhinein für mächtig Ärger sorgt, soll vom damaligen Bayern-Spieler Alain Sutter initiiert worden sein.
Bild: Imago/Magic
Paolo di Canio
Der ehemalige italienische Fußballstar Paolo Di Canio gilt als bekennender Faschist. In seiner aktiven Zeit als Profi bei Lazio Rom hat er seine Fans im Stadion mehrmals mit ausgestrecktem rechten Arm gegrüßt. In Deutschland nennt man das Hitlergruß. In Italien erinnert es an Benito Mussolini, den ehemaligen Führer Italiens. Auf Di Canios Oberarm prangt ein Tattoo, das diesen huldigt.
Bild: Getty Images/AFP/P. Cocco
Josip Simunic
Der kroatische Nationalspieler und ehemalige Bundesligaprofi Josip Simunic sorgte Ende 2013 nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen Island für hässliche Szenen. Der 35-Jährige brüllte in Zagreb eine Ustascha-Parole ins Mikrofon. Die Ustascha war ein 1929 in Kroatien gegründeter nationalistisch-terroristischer Geheimbund mit Nähe zum faschistischen Italien und nationalsozialistischen Deutschland.
Bild: picture alliance/CITYPRESS 24
Colin Kaepernick
Im August 2016 stand Colin Kaepernick für die US-amerikanische Nationalhymne, die vor jedem Spiel gespielt wird, nicht auf. Im Gegenteil: Der Quarterback der San Francisco 49ers kniete sich aus Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze hin. Es kam zum Eklat, befeuert durch Tweets des US-Präsidentschaftskandidat Trump. In der neuen Saison bekam Kaepernick keinen neuen Vertrag mehr.
Bild: picture-alliance/epa/J. G. Mabanglo
Muhammad Ali
Muhammad Ali verweigerte einen Kriegseinsatz für die US-Armee in Vietnam 1967. Auf Kaution kam er aus dem Gefängnis, seine Boxsperre hatte jedoch bis 1970 Bestand. Lange bevor die Mehrheit in den USA den verlustreichen Kriegseinsatz verurteilte, hatte Ali deutlich Stellung bezogen. Mit der Zeit wurde er zum Symbol für den Protest gegen den Vietnamkrieg, aber auch für die Bürgerrechtsbewegung.
Bild: picture-alliance/AFP
Tommie Smith und John Carlos
Das Bild der beiden US-amerikanischen 200-Meter-Läufer Tommie Smith (2.v.r.) und John Carlos (r.) ist zur Ikone geworden. Bei der Siegerehrung der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko City recken sie die Faust im schwarzen Handschuh nach oben, das Zeichen das Black-Power-Bewegung, die sich für politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der schwarzen Bevölkerung einsetzt.
Bild: AP
Cathy Freeman
Sechs Jahre bevor die australische Läuferin Cathy Freeman bei Olympia in Sydney zur Nationalheldin wird, bringt sie Teile der konservativen Bevölkerung gegen sich auf. 1994 bei den Commonwealth Games geht Freeman, selbst eine Aborigine, mit der Flagge der australischen Ureinwohner auf die Ehrenrunde. Sie will damit auf die Benachteiligung ihrer Volksgruppe in der Gesellschaft aufmerksam machen.
Bild: picture-alliance/Zumapress
Feyisa Lilesa
Als Feyisa Lilesa beim Olympia-Marathon in Rio als Zweiter über die Ziellinie läuft, hebt er die überkreuzten Arme, die Hände zu Fäusten geballt. Der Äthiopier möchte mit dieser Geste auf das Unrecht hinweisen, dass dem Volksstamm der Oromo in seiner Heimat widerfährt. Obwohl sie die größte Volksgruppe des Landes sind, haben sie politisch kaum Einfluss. Proteste werden gewaltsam niedergeschlagen.