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Kommentar: Militär steht als Sieger schon fest

Florian Weigand13. August 2014

Der Machtkampf in Islamabad zeigt eines: Pakistan verpasst wieder einmal die Chance, sich zu einer zivilen Wirtschaftsmacht in der Region zu entwickeln, meint Florian Weigand.

Pakistanische Soldaten in Islamabad (Foto: AAMIR QURESHI/AFP/Getty Images)
Bild: AAMIR QURESHI/AFP/Getty Images

Der Machtkampf in Pakistan hat alle Zutaten eines klassischen Dramas: Zwei Volkstribunen, der eine ein früherer Athlet und Lebemann, nun geläutert dem Pfad der Tugend folgend - der andere ein religiöser Führer, volksnah, geradlinig, aber kein Extremist, marschieren beide auf die Hauptstadt, begleitet von einer wachsenden Zahl von Gefolgsleuten, um dort einen umstrittenen Machthaber vom Thron zu stoßen. Das Schauspiel, das hier der Ex-Cricket-Star Imran Khan, der islamische Rechtsgelehrte Muhammad Tahir-ul-Qadri und Premier Nawaz Sharif auf die Bühne bringen, war schon immer Stoff für Epen und was früher die Barden am Lagerfeuer besangen, geht heute als bildgewaltige TV-Story um die ganze Welt.

Die beiden Protagonisten Khan und Qadri sind sich der Macht der Bilder wohl bewusst und sonnen sich in ihrer Popularität. Sie überschätzen aber ihren Einfluss: Denn der klassische Plot wäre nicht vollständig ohne höhere Kräfte, die im Verborgenen die Fäden ziehen und Helden steigen und fallen lassen nach ihrem eigenen Ratschluss. In Pakistan tragen diese Mächte Khaki und Epauletten.

Militär fühlt sich provoziert

Den Generälen kommt der "Marsch auf Islamabad" gerade recht. Ihnen ist die Politik von Nawaz Sharif schon länger ein Dorn im Auge. Zuerst lässt dieser zu, dass der früheren Staats- und Militärchef General Pervez Musharraf wegen Hochverrats vor Gericht steht. Und als wäre das nicht schon Ohrfeige genug, reichte Sharif dem Erzfeind Indien die Hände - sichtbar vor aller Welt -, als er mit dem neuen Regierungschef des Nachbarn, Narendra Modi, bei dessen Amtseinführung zusammentraf. Solche Versöhnungsgesten gehen dem pakistanischen Militär gewaltig gegen den Strich.

Florian Weigand, Leiter der Urdu-Redaktion der Deutschen WelleBild: DW/P. Henriksen

Denn die ewige Feindschaft zum Nachbarn gehört zum Gründungsmythos Pakistans seit der Teilung Britisch-Indiens in die beiden Staaten im Jahr 1947 - und ohne diese wäre die überproportionierte Rolle der Streitkräfte kaum zu rechtfertigen. Das Militär versteht sich aber nicht nur als Schutzwall der Muslime auf dem Subkontinent gegen die indische Hindu-Übermacht. Es ist auch immer noch der größte Arbeitgeber im Land. Es betreibt Krankenhäuser, Wirtschaftsbetriebe und Schulen, die Soldatenfamilien leben in sogenannten Kantonnements, abgeschlossenen Wohnarealen, die einen Lebensstandard bieten, wie ihn anderswo nur die reiche Oberschicht genießt. Viele Familien der urbanen Mittelklasse haben mindestens einen Onkel oder eine Tante, die bei den Streitkräften beschäftigt sind.

Verschenktes Potential

Diese verkrusteten Strukturen mögen für die Nutznießer komfortabel sein, bringen Pakistan in der globalisierten Welt von heute aber nicht weiter: Denn in denselben urbanen Familien mit dem obligatorischen Ex-Offizier in der Verwandtschaft wächst eine gut ausgebildete Generation heran, mit akademischen Abschlüssen, oft erworben im Ausland. Sie sind das Potential für eine zivile Wirtschaft, für Wandel durch Handel in der Region - ohne die Aussöhnung mit dem Giganten Indien hat diese Vision aber keine reale Perspektive.

Nawaz Sharif gilt vielen im Land als korrupt und ineffizient, dennoch setzte er die richtigen Signale in Richtung Nachbar. Bedauerlicherweise fühlen sich die jungen Leute aber eher dem charismatischen Imran Khan verbunden, jener Figur, die nun Gefahr läuft, gemeinsam mit Qadri zum Werkzeug der Militärs zu verkommen. Verstricken sich die beiden in einen möglicherweise blutigen Machtkampf mit der gegenwärtigen Regierung, könnte das Militär als selbsternannte letzte Ordnungsmacht auftreten und - wie so oft in der Geschichte Pakistans - wieder putschen.

Kurswechsel gegenüber Indien

Soweit wird es aber wohl nicht kommen. Nawaz Sharif wird gegenüber den Militärs klein beigeben und seinen Kurs in der Politik gegenüber Indien revidieren, auch wenn er die von Qadri und Khan inszenierten Massenproteste übersteht. Sharif wird an seine erste Amtszeit zurückdenken, die 1999 abrupt mit der Machtübernahme der Generale endete, als er schon einmal die Hand nach Indien ausstreckte. Kaum vorstellbar, dass er nun eine Wiederholung der Ereignisse riskiert. Und auch der Inder Modi wirft ihm zur Unzeit Knüppel zwischen die Beine. Nach einigen Scharmützeln in der zwischen den beiden Ländern umstrittenen Provinz Kaschmir beschuldigt er Pakistan, dort mit irregulären Kräften einen Stellvertreterkrieg zu führen - keine guten Aussichten für eine Annäherung.

Ob diese Gefechte von pakistanischen Militärs orchestriert wurden oder ein für sie günstiger Zufall sind, spielt dabei eigentlich keine Rolle mehr, genauso wenig, wer nach dem Marsch auf Islamabad die Oberhand gewinnt. Das Militär wird von jedem Szenario profitieren. Und Pakistan verpasst wieder einmal die Chance, sich zu einer zivilen Wirtschaftsmacht in der Region zu entwickeln. Es bleibt alles wie im klassischen Drama: Was kümmern die höheren Mächte schon die Bedürfnisse der gewöhnlichen Sterblichen, wenn nur die eigene Macht erhalten bleibt?

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