1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Gesellschaft

Verbrechen sind Verbrechen

13. September 2018

Die Studie der Deutschen Bischofskonferenz zum Missbrauch in der Katholischen Kirche ist gut und doch noch nicht genug. Der Schock muss Konsequenzen haben und verlangt von der Kirche Ehrlichkeit, meint Christoph Strack.

Bild: Imago Images/blickwinkel

Die Zahlen sind nicht alle neu. Aber in ihrer Wucht erschütternd. Vier Prozent aller aktiven Priester in Deutschland waren oder sind Missbrauchs-Täter. Tausende Heranwachsende, zumeist noch Kinder, wurden Opfer. Das könnten zigtausende einzelne Übergriffe sein. Das ist mehr als bedrückend.

Das laute Schweigen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, zur Eskalation innerhalb der US-Kirche beim Thema Missbrauch ließ schon erahnen, dass die von den deutschen Bischöfen angestoßene Erhebung neue Zahlen liefert. Und es werden traurigerweise nicht die letzten sein. Denn nicht mehr alle Akten liegen noch vor. Und, weit wichtiger: Untersucht wurden Bistumsarchive, also in erster Linie Diözesanpriester. Der Bereich der Orden, die vielfach bei Schulen und in der Kinder- und Jugendarbeit stark engagiert waren und sind, steht noch aus.

Keine staatlichen Ermittler in kirchlichen Archiven

Die Deutschen sind ja dafür bekannt, dass sie gerne alles sehr gründlich machen. So setzten die katholischen Bischöfe in Deutschland 2014 auf umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung. Doch mit einem großen ABER: Allein in kirchlichem Auftrag sollte das Thema bearbeitet werden. Der Staat blieb außen vor.

Damit verhinderte die Kirchenleitung, die ja 2014 wie heute noch unter dem Schock des Anfang 2010 in Deutschland aufgekommenen Missbrauch-Skandals stand, eine stärkere staatliche Intervention. In den USA übernehmen hingegen derzeit in mehr und mehr Bundesstaaten Generalstaatsanwälte und polizeiliche Ermittler die Aufklärung von Missbrauch in der katholischen Kirche. Da wird noch vieles an Erschütterung des überkommenen Systems kommen, und es wird auch noch den ein oder anderen aus der Führungsstruktur treffen.

Christoph Strack leitet die Redaktion ReligionBild: DW/B. Geilert

Diesen staatlichen Zugriff auf die Akten wollte die Kirche in Deutschland verhindern. Wohl auch aus Fürsorgepflicht für Mitarbeiter. Aber wenn nun herauskommt, dass die Mehrzahl der Fälle gar nicht durch Kirche, sondern erst durch Entschädigungsansprüche von Opfern bekannt wurde? Dass es übliche Praxis war, Täter zu versetzen und deren neues Umfeld nicht über die vorangegangenen Verbrechen - nichts anderes sind es - zu informieren? Dass es in der weit überwiegenden Zahl der erfassten Fälle nicht einmal zu kirchenrechtlichen (und ganz gewiss nicht zu straf- oder zivilrechtlichen) Verfahren kam?

Die Debatte um Missbrauch und Struktur - Personal- und Machtstruktur von Kirche - muss weitergehen. Auch und erst recht nach dieser Studie, die über den Blick von juristischen Ermittlern hinausgeht. Der Bericht ist ein Fortschritt. Aber Kirche muss sich ehrlich machen. Dazu gehört, dass das "Null Toleranz", das die Bischöfe und - immer wieder - auch Papst Franziskus betonen, auch umgesetzt wird. Das mag für Bischöfe hart sein, weil jeder irgendwelche Täter kennen wird. Aber "Null Toleranz" bedeutet eben "Null Toleranz", sonst verrät man die Opfer ein zweites Mal und sich selbst auch.

Globale Dimension des Problems

Dass heute - wohl zufällig zeitgleich mit den vor der geplanten Bekanntgabe durchgesickerten Informationen über das Ergebnis der deutschen Untersuchung  - der Vatikan mitteilte, dass Papst Franziskus die Vorsitzenden aller rund 80 Bischofskonferenzen weltweit für Februar in den Vatikan einbestellt, zeigt die globale Dimension. Man muss sich nichts vormachen: Missbrauch gab und gibt es nicht nur in den Kirchen der USA und Deutschlands, sondern auch Polen und Italien, überall in Afrika oder Asien. Alles andere wäre ein, na ja, frommer Wunsch. All das kann die katholische Kirche in ihrem Kern gefährden. Und wenn es nur deshalb wäre, weil die Kirchen in den USA und Deutschland die reichsten sind und weltweit Hilfe leisten.

So wird die Notwendigkeit der Debatte über Veränderungen am System deutlicher. Es mag sein, dass die Zeit der Priester- und Männer-zentrierten Kirche vorbei ist. Über kurz oder lang. Da kann man nun erst mal dogmatisch ängstlich rufen: Nein! Aber wer, bitte schön, wird dieser Kirche ohne einen grundlegenden Wandel noch trauen?

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen