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Kommentar: Mit der Abrissbirne

Michael Knigge7. Juli 2014

Die mutmaßliche Spionage eines deutschen Geheimdienstlers für die USA ist eine Katastrophe für das ohnehin belastete bilaterale Verhältnis. Washington sendet damit eine klare Botschaft an Berlin, meint Michael Knigge.

Angela Merkel und Barack Obama bei einer Pressekonferenz (Foto: Chip Somodevilla/Getty Images)
Bild: Getty Images

Um es gleich vorweg zu schicken: Ja, die Aufgabe von Geheimdiensten ist die Ausspähung und Spionage von ausländischen Zielen. Das ist genauso eine Binsenweisheit wie die Tatsache, dass die Arbeit der Dienste häufig, oder fast immer, unter konspirativen Bedingungen und unter Mitwirkung von zweifelhaften Charakteren stattfindet. Das liegt in der Natur des Geschäfts und um sich darüber allein aufzuregen muss man entweder unwissend oder blauäugig sein.

Und dennoch hat der jüngste Spionage-Skandal - sollte er sich denn bewahrheiten - eine neue Qualität und sollte deutschen Politikern und Bürgern zu denken geben.

Warum?

Nicht weil US-Dienste einen Doppelagenten bei ihrem deutschen Partner BND installiert hatten. Natürlich tun sie das. Geheimdienste rekrutieren Maulwürfe in anderen Diensten, um möglichst viele Informationen gleich an der Quelle abzuschöpfen. Das ist nicht neu und spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden sollte es uns nicht mehr überraschen, dass sogar 'befreundete' Nationen einander ausspionieren.

Um zu begreifen, warum der neue Spionage-Fall so schädlich für die viel beschworene transatlantische Partnerschaft ist, muss man sich vergegenwärtigen in welchem Kontext er passierte. Denn es handelt sich hier nicht um einen Einzelfall. Ganz im Gegenteil ist dies nur das jüngste Beispiel einer ganzen Kette von Enthüllungen, die zeigen, wie weit die US-Dienste gehen, um Millionen von Deutschen von der Bundeskanzlerin über führende Politiker bis hin zu einfachen Bürgern auszuspähen.

DW-Redakteur Michael KniggeBild: DW/P. Henriksen

Was dem Treiben jedoch die Krone aufsetzt, ist jedoch, dass der mutmaßliche Maulwurf beim BND offenbar dieses Jahr, womöglich sogar bis vor kurzem, aktiv spioniert hat. Das würde bedeuten, dass während Washington und Berlin politisch versuchten, die transatlantischen Beziehungen nach dem NSA-Skandal wieder zu kitten, US-Dienste gleichzeitig einen Spion im Innern des BND führten. Das macht den kürzlich als Cyber-Dialog gestarteten deutsch-amerikanischen Versuch, eine gemeinsame Basis bei den Themen Privatsphäre und Sicherheit zu finden, endgültig zum Treppenwitz.

Vertiefte Kluft

Der neue Spionage-Skandal verdeutlicht die vollständige Abwesenheit jedes Verständnisses für deutsche Befindlichkeiten auf amerikanischer Seite und wird die transatlantische Kluft weiter vertiefen. Es ist denn auch mehr als dreist mit den US-Spionageaktivitäten innerhalb des deutschen BND einfach so weiterzumachen, als sei im vergangenen Jahr nichts passiert. Es ist, als setze man die Abrissbirne in Gang, während die Arbeiter vorgeblich noch versuchen, das schwer beschädigte transatlantische Haus zu reparieren.

Für Berlin geht von dem Fall eine klare Botschaft aus. Ungeachtet aller diplomatischen Kommunikation ist Washington nicht gewillt seine ausländischen Spionage-Operationen grundlegend zu ändern - weder für Deutschland noch für andere Länder. Dies war bereits mit dem schnellen Scheitern des von der Bundesregierung angestrebten No-Spy-Abkommens absehbar. Jetzt ist es endgültig an der Zeit für Berlin die Botschaft zu registrieren und entsprechend zu handeln: Deutschland muss sich unabhängiger von US-Geheimdienstinformationen machen und auch so genannte befreundete Staaten in den Blick der Spionageabwehr nehmen.

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