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Politik

Moria, die Hölle auf Erden

Jannis Papadimitriou
Jannis Papadimitriou
9. September 2020

Das größte Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos ist verbrannt - genauso wie die europäische Idee. Es wird höchste Zeit für eine gemeinsame europäische Antwort, meint Jannis Papadimitriou.

Ein Graben voller Abfälle im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos - niemand holt den Müll abBild: Getty Images/L. Gouliamaki

War es organisierte Brandstiftung, Fahrlässigkeit oder vielleicht nur grausamer Zufall? Wir wissen es noch nicht. Doch es bedarf keines besonderen Scharfsinns, um das Offensichtliche zu erkennen: Wenn mehr als 13.000 Menschen unter prekären Umständen an einem Ort zusammengepfercht werden, der für höchstens 2.500 ausgelegt ist, dann brennt es - manchmal eben auch buchstäblich. Schon 2016 und auch 2019 stand das Lager Moria in Flammen.

An diesem Mittwoch kam es noch viel schlimmer: Angefacht von Winden mit bis zu 70 Stundenkilometer wütete das Feuer stundenlang und zerstörte das Camp zu weiten Teilen - zumal die Feuerwehrleute durch einen weiteren Waldbrand abgelenkt wurden.

Die schrecklichen Bilder aus Moria

Seit Jahren wird das überfüllte Flüchtlingslager von Moria auf der Insel Lesbos als "Schande Europas" wahrgenommen. Aber auch für Griechenland ist es kein Ruhmesblatt. Ganz im Gegenteil: Immer wieder haben Politiker aller Couleur in Athen versprochen, diesen Schandfleck zu bekämpfen und Moria zu schließen. Aber dann hätten sie die dort festsitzenden Flüchtlinge und Migranten woanders im Land unterbringen müssen, was anscheinend auch niemand wollte.

DW-Reporter Jannis Papadimitriou

Dabei hat Griechenland in den vergangenen Jahren Milliardenhilfen von der EU bekommen, um für die Unterbringung und Verpflegung der Neuankömmlinge zu sorgen. Daraus haben die Regierenden in Athen zu wenig gemacht. Und auch die oft angekündigte Straffung des Asylverfahrens lässt auf sich warten. Derzeit muss ein Neuankömmling in der Regel über ein Jahr auf seinen ersten Termin bei der Asylbehörde warten.    

Auch Europa hat tatenlos zugesehen

So viel zu den Missständen in Hellas. Leider hat auch der Rest Europas zu lange tatenlos zugesehen. Wobei sich die Frage stellt: Wer ist hier eigentlich "Europa"? Der Erfolg hat stets viele Väter, bei Versagen meldet sich nie jemand. Dabei sind es doch die souveränen Mitgliedstaaten, die den Ton in Brüssel angeben, wenn auch formal stets die EU-Kommission die Vorschläge macht. Die gleichen Mitgliedsstaaten, die sich dann aber nicht an die gemeinsamen Beschlüsse halten.

In der Nacht zum Mittwoch wurden weite Teile des Lagers Moria durch Feuer vernichtetBild: picture-alliance/AP Photo/P. Balaskas

Angenehmer Nebeneffekt dieser Praxis: Für Erfolge wird gerne Verantwortung übernommen, für alles andere verweist man auf Brüssel. Die Flüchtlingspolitik ist ein Paradebeispiel dafür. Sämtliche Mitgliedstaaten verweigern sich vehement einer gemeinsamen Linie und ignorieren dabei nicht nur EU-Entscheidungen der höchsten Ebene, sondern auch Urteile des Europäischen Gerichtshofs. Dadurch wird der europäischen Idee schwerer Schaden zugefügt. Nur wenn wieder einmal die schrecklichen Bilder aus Moria ins Fernsehen kommen, gehen Betroffenheitserklärungen flüssig von den Lippen.

Überfülltes Camp als Abschreckungsmaßnahme?   

Wer schon einmal selbst im Camp war, weiß: Die Bilder sind gar nicht mal das Schlimmste in dieser Hölle auf Erden. Nein, das Schlimmste ist der Gestank: Eine Mischung aus verrottendem Müll, Rauch, Schweiß und menschlichem Kot, der einen direkt einfängt und einfach nicht mehr loslässt. Es ist ein Gestank des Todes, den tausende Menschen mitten in Europa aushalten müssen - und manchmal eben auch nicht mehr aushalten können.

Aber vielleicht ist das ja alles genau so gewollt. Vielleicht nehmen manche in Europa die Hölle von Moria zumindest stillschweigend als Abschreckungsmanöver in Kauf, um der Einwanderung Einhalt zu gebieten: Seht her, was euch blüht, wenn ihr zu uns kommt, lautet wohl die Devise. Doch eine wirklich abschreckende Wirkung ist nicht zu erwarten. Denn angesichts anhaltender Kämpfe in Syrien oder Afghanistan ist das endlose Warten auf der Insel Lesbos immer noch die bessere Option.

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