Statt allen Menschen Gesichtsmasken zu verordnen, sollten wir lieber dafür sorgen, dass diejenigen ihre Schutzmittel bekommen, die sie wirklich brauchen: Mediziner und Pflegekräfte, meint Fabian Schmidt.
Anzeige
Das Coronavirus scheint manchen Entscheidungsträgern den Blick auf das wirklich wichtige zu vernebeln. Jeden Tag wird irgendwo auf der Welt eine neue Sau durchs Dorf getrieben - Grundrechte werden in atemberaubendem Tempo abgeschafft. Unzählige Verordnungen haben wahnwitzige Folgen, die nicht gegen die Verbreitung des Coronavirus helfen, aber den Menschen das Leben schwer machen.
Einige Beispiele: Wer in einem brandenburgischen Dorf an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern wohnt, darf nicht mehr in seinen nächstgelegenen Supermarkt zum Einkaufen, weil an der Landesgrenze die Polizei steht und ihn als "Touristen" nicht durch lässt.
In Frankreich darf man zwar noch einkaufen gehen, aber wehe es ist "nur" ein ofenfrisches Baguette. Das kostet dann schmerzhaftes Bußgeld, wird man von der Polizei erwischt. In Südafrika darf man mit dem Hund nicht mehr gassigehen, in China den Müll nicht mehr runterbringen, wenn man als Gesunder in vorsorgliche Quarantäne kommt. Weitere Beispiele absurder Auswüchse von Regelungen gibt es weltweit wie Sand am Meer.
Textile Semiotik: "Alle machen mit. Ich gehöre dazu!"
Die Mundschutzpflicht - in China schon lange Praxis - ist die Mutter aller unsinnigen Verordnungen. In vielen Ländern Asiens sind Gesichtsmasken ja seit Jahrzehnten ein akzeptiertes modisches Accessoire. Wer sie trägt, erhofft sich etwa Schutz vor Smog, Staub, Tränengas, Gesichtserkennung durch Videokameras oder eben auch vor Krankheitserregern.
Vor allem aber vermittelt die Maske das Gefühl dazu zu gehören. Gemeinsam leidet es sich schöner. Wer sie trägt sendet ein entsprechendes Zeichen an die Mitmenschen. Das nennt sich in der Sozialwissenschaft: textile Semiotik.
Und seit Österreich die Maskenpflicht in Supermärkten eingeführt hat, ist auch in Deutschland eine emsige Betriebsamkeit ausgebrochen: Keiner will der letzte sein, der auf den Zug aufspringt. Den Preis für vorauseilenden Gehorsam verdient diesmal die Stadt Jena, die gerade vorgeprescht ist und das österreichische Modell kopiert hat.
Die Masken denen, die sie brauchen
Zu Anfang der Corona-Krise hatte ich übrigens fast ein Dutzend hochwertige FFP-3 Masken bei mir zu Hause - in meinem Werkzeugschrank. Ich hatte sie mir Anfang vergangenen Jahres, also lange vor Corona, gekauft. Verwenden wollte ich sie, um in meinem Altbau Proben auf Asbest zu nehmen (die glücklicherweise alle negativ ausgefallen sind).
Vor etwas mehr als drei Wochen habe ich den ganzen Restbestand meinem Hausarzt vorbeigebracht. Dessen Assistentin freute sich wie ein Kind zu Weihnachten. Denn Hausärzte brauchen die Masken, im Gegensatz zu gesunden Menschen, jetzt wirklich. Die Kernfrage ist doch, was wir mit den Masken überhaupt erreichen wollen?
Wie Südafrikaner mit der Ausgangssperre umgehen
Südafrika ist das Land mit den meisten bestätigen Covid-19-Fällen in Afrika. Präsident Ramaphosa will das Virus mit strengen Gegenmaßnahmen eindämmen. Eindrücke aus einem Land im Ausnahmezustand.
Bild: AFP/M. Longari
Johannesburg bleibt zuhause
Wohl dem, der einen Balkon hat: Bewohner eines Hauses im Johannesburger Stadtteil Hillbrow beobachten, wie die Polizei auf der Straße versucht, die landesweite Ausgangssperre durchzusetzen.
Bild: AFP/M. Longari
Eine Armlänge Abstand
Vor einem Supermarkt in Yeoville, Johannesburg, klappt es noch nicht ganz mit dem Sicherheitsabstand. Seit dem 27. März gelten in ganz Südafrika strikte Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus.
Bild: AFP/M. Longari
Sitzordnung beim Einkaufen
In einem Einkaufszentrum nahe Pretoria sorgen Stühle für soziale Distanz zwischen den Wartenden. Derzeit dürfen in Südafrika nur noch Lebensmittel und lebensnotwendige Produkte verkauft werden, alle anderen Läden müssen geschlossen bleiben.
Bild: AFP/P. Magakoe
Keine Versammlungen, kein Alkohol
Auch öffentliche Zusammenkünfte jeder Art sind in ganz Südafrika verboten - ebenso wie der Verkauf von Alkohol und Zigaretten. Für acht Männer in Johannesburg endete ein Kartenspiel auf der Polizeistation.
Bild: AFP/L. Sola
Militär im Wohngebiet
Wie hier in Kapstadt patrouillieren inzwischen Soldaten der südafrikanischen Armee auf den Straßen des Landes. Präsident Ramaphosa hatte zuvor angeordnet, dass das Militär für die Zeit der Krise auch Polizeiaufgaben übernehmen soll.
Bild: AFP/P. Bauermeister
Rabiate Methoden
Polizei und Sicherheitskräfte setzen die Maßnahmen Berichten zufolge auch mit Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen durch. Verteidigungsministerin Mapisa-Nqakula verurteilte die Gewalt am Montag und versprach Konsequenzen.
Bild: AFP
Sorge in den Townships
Im Township Khayelitsha am Stadtrand von Kapstadt erklärt eine Gesundheitshelferin, warum Abstand halten wichtig ist. Gerade in den überfüllten Armenvierteln des Landes ist das besonders schwierig. Polizei und Militär sind mittlerweile in Townships eingerückt und setzen die Ausgangssperre teilweise gewaltsam durch - so die Aussagen von Anwohnern.
Bild: Reuters/M. Hutchings
Schutz für Obdachlose
Polizisten eskortieren eine obdachlose Frau im Johannesburger Central Business District zu einer Sammelstelle. Die Regierung hat angekündigt, allen Obdachlosen für die Zeit der Ausgangssperre eine sichere Unterkunft zu bieten.
Bild: AFP/M. Spatari
Nichts geht mehr
Das Zugdepot in Johannesburg ist voll: Alle Verbindungen im Nah- und Fernverkehr sind für die Dauer der Ausgangssperre annulliert. Taxis und Busse dürfen dagegen unter Auflagen weiter fahren, um systemrelevante Arbeiter zu ihren Jobs zu bringen.
Bild: AFP/M. Longari
Ausgangssperre bis Mitte April
Noch bis mindestens zum 17. April soll die Ausgangssperre in Südafrika andauern. Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle im Land - am Dienstag meldete das Gesundheitsministerium 1353 - dürfte bis dahin trotz der Maßnahmen weiter steigen. Präsident Ramaphosa kündigte für die kommenden Tage massenhafte Tests im ganzen Land an.
Bild: AFP/M. Longari
10 Bilder1 | 10
Hochwertige FFP-2 und FFP-3 Masken sollten Medizinern und Pflegekräften vorbehalten bleiben, die mit Infizierten oder Verdachtsfällen arbeiten müssen. Neben den Masken müssen sie sich auch durch Schutzbrillen, Gummihandschuhe und mindestens Einwegschürzen schützen - sonst nützt ihnen auch die Maske wenig.
Denkt an die Pflegekräfte
Alle einfacheren Modelle - etwa simple OP-Masken oder auch selbstgenähte Masken aus dichten Textilien - dienen höchstens dazu, Dritte vor einer Infektion durch denjenigen zu schützen, der die Maske trägt. Den Träger schützen sie jedenfalls kaum. Masken zum Schutz gefährdeter Dritter zu tragen ist natürlich gerechtfertigt, etwa wenn Pflegekräfte oder Verwandte alte und vorerkrankte Menschen zuhause besuchen.
Also lassen wir doch die OP-Masken oder selbstgenähten Masken den Pflegediensten, Beschäftigten in Altenheimen den vielen anderen, die täglich mit Vorerkrankten und älteren Menschen zu tun haben. Und die brauchen viele Masken, weil sie sie regelmäßig wechseln bzw. heiß waschen müssen. Sonst verlieren sie ihre Wirkung und können sogar kontraproduktiv sein, weil sich Pilze und Bakterien an feuchten Masken super entwickeln können.
Gar nichts, außer vielleicht dem guten Gefühl der sozialen Pflichterfüllung, bringt es jedenfalls, wenn kerngesunde Menschen, die kaum mit Vorerkrankten in Kontakt kommen, sich jetzt ritualisiert einen Papier- oder Stofflappen in Form einer Maske vor das Gesicht binden.
Wer wirklich etwas gegen die weitere Verbreitung des Virus tun will, soll sich einfach an das halten, was ohnehin seit Wochen gilt: körperliche Kontakte vermeiden, regelmäßig Händewaschen, Abstand halten.
Nicht ohne meinen Mundschutz
Zunächst galten sie als ineffektiv und verstörend. Doch mittlerweile setzen immer mehr Länder auf Schutzmasken, um die Ausbreitung von Sars-CoV-2 einzudämmen. Über den Siegeszug eines Accessoire, der in Asien begann.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi
Handschuhe, Handy, Mundschutz
Nach dem konsequenten Einsatz in Asien hat das Robert Koch-Institut (RKI) Anfang April 2020 auch in Deutschland das Tragen von Schutzmasken empfohlen. Als erste Stadt in Deutschland hat Jena die Maßnahme eingeführt. Dort ist seit dem 6. April in Supermärkten und im öffentlichen Nahverkehr ein Mundschutz Pflicht. Auch Schals und Tücher sind als Schutz anerkannt.
Bild: Imago Images/Sven Simon/F. Hoermann
Geschenk für die Feuerwehr
Angesichts des Maskenmangels greifen immer mehr Menschen und Institutionen zur Selbsthilfe. Auf Youtube und unter dem Hashtag "maskeauf" bei Twitter zeigen viele, wie einfach sich Mundschutze herstellen lassen. Eine von ihnen ist Gewandmeisterschneiderin Cerstin Bochow vom Staatstheater Cottbus. Die Masken aus ihrer Kostümschneiderei sind für die Feuerwehr und das Deutsche Rote Kreuz.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Bitte recht freundlich!
Künstlerin Mansha Friedrich häkelt gegen Corona. Ihre selbstgemachten Masken sind mit lächelnden Gesichtern, Tieren oder Sonnenmotiven geschmückt. Die Stoff-Inlays sind austauschbar. Die Künstlerin aus Hannover will sich die gute Laune nicht vermiesen lassen.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte
Ton in Ton
Tschechien und die Slowakei waren schon früher dran: Dort wurde bereits Mitte März eine Maskenpflicht eingeführt. Wer Supermärkte oder öffentliche Plätze betritt, muss einen Mundschutz tragen. Die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová und Premierminister Igor Matovic gehen mit gutem Beispiel voran. Österreich hatte zwischenzeitlich nachgezogen und einen Mundschutz für den Einkauf verordnet.
Bild: Reuters/M. Svitok
Frühlingserwachen in China
In China sind Schutzmasken schon lange Pflicht. Dieses Paar in der Stadt Shenyang will trotz Corona und rigider Kontrollen nicht auf Romantik verzichten. Sie tanzen hingebungsvoll in der Frühlingssonne und vergessen sicher alles andere um sich herum.
Bild: AFP
Israel lässt keine Ausnahmen gelten
Auch in Israel gelten rigide Einschränkungen. Ministerpräsident Netanjahu verhängte eine Ausgangssperre, die von Polizei und Militär kontrolliert wird. Auch orthodoxe Juden müssen sich daran halten. In dem Jerusalemer Stadtteil Mea Shearim weist ein maskierter Polizist einen ultra-orthodoxen Landsmann an, nach Hause zu gehen.
Bild: picture-lliance/dpa/I. Yefimovich
Kunst im Gazastreifen
Im dicht besiedelten Gazastreifen versuchen Künstler, die Bevölkerung zu motivieren. Im Stadtteil Shujaiya verzieren sie Schutzmasken mit beliebten Motiven. Die Regierung im Gazastreifen hat den Bewohnern Ausgangsbeschränkungen und Veranstaltungsverbote auferlegt. Auch der alljährliche "Marsch der Rückkehr" mit Massenprotesten an der Grenze zu Israel wurde dieses Jahr abgesagt.
Bild: Imago Images/ZUMA Wire/A. Hasaballah
Kolumbianische Kraftprotze
In Kolumbien dominieren drastische und auffällige Motive. Das Gebiss auf der Maske der beiden Polizisten scheint dem "Monster Hulk" nachempfunden worden zu sein. Der Kraftprotz Hulk ist die Titelfigur aus dem 1962 veröffentlichten Comic von Stan Lee und Jack Kirby. Die Geschichte des "unglaublichen Mannes Hulk" wurde in mehreren Kinofilmen und TV-Serien adaptiert.
Bild: AFP/L. Robayo
Macron verwaltet den Mangel
Der französische Präsident Emmanuel Macron besucht eine Fabrik für Schutzkleidung und Masken in Saint-Barthelemy-d'Anjou. In Frankreich haben Hunderte Mediziner die Regierung verklagt, weil sie nicht für ausreichend Schutzkleidung während der Epidemie gesorgt habe. Viele Mediziner arbeiten trotzdem.