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Politik

Murphys Gesetz und der Brexit

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
18. Oktober 2018

Murphys Gesetz sagt, dass schief gehen wird, was schief gehen kann. Deshalb sind die Brexit-Verhandlungen in der Endrunde auf Grund gelaufen. Die EU übt sich in Zweckoptimismus. Sicher ist nichts, meint Barbara Wesel.

Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Seco

Das war der kürzeste Gipfel aller Zeiten: Man traf sich, aß zusammen zu Abend und ging entspannt wieder auseinander. Dazwischen war so gut wie nichts passiert. Premierministerin Theresa May hatte nichts Neues vorzutragen, weil sie die Letzte ist, die eine Lösung für die verfahrene Situation in der Tasche hätte. Obwohl der Ball jetzt im Spielfeld der Briten ist, weil die Europäer in den letzten Wochen ihre Position zum irischen "Backstop", der Rückversicherung gegen eine harte Grenze auf der Insel, bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht haben.

Das Drama gehört zum Spiel

Im Grunde ist die Choreographie solcher internationalen Verhandlungen gut bekannt. Am Anfang gibt es relativ große Fortschritte und die Partner scheinen einsichtig. Dann geht's an die Details und die beiden Seiten geraten sich in die Haare. Dann kommt die Phase der Prinzipienreiterei und am Ende muss das Feuer unter dem Topf immer mehr angeheizt werden, um eine Einigung in letzter Minute durch maximalen Druck zu erzwingen. Die EU hat eigentlich viel Erfahrung mit diesem Ablauf.

DW-Europakorrespondentin Barbara Wesel

Beim Gipfeltreffen in Brüssel wurde eine Menge gut orchestriertes Erwartungsmanagement vorgeführt. So viel Hoffnung, Entschlossenheit und guten Willen zur Einigung gab es selten. Es war, als ob man nach Art eines Voodoo-Zaubers die richtige Stimmung für die Beschwörung der bösen Brexit-Geister erzeugen wollte. Sogar der französische Präsident Emmanuel Macron, der den Briten gegenüber eigentlich als hartleibig gilt, wollte den Erfolg schon in greifbarer Nähe sehen.

In Großbritannien schläft die Vernunft

Währenddessen tanzen die Gegner einer gütlichen Einigung beim Brexit in Großbritannien auf allen Tischen. Die Hardliner wollen am liebsten über Nacht aus der EU austreten, ohne Rücksicht und vor allem ohne Schlusszahlung. Sie können sich gar nicht schnell genug aus den Fesseln des irgendwie immer verhasster werdenden Bündnisses lösen. Den gemäßigten Brexiteers sind die Verhandlungserfolge von Theresa May bisher zu kümmerlich. Wo bleibt ihr goldener Regenbogen? Die Europafreunde wollen den Karren anhalten und fordern ein zweites Referendum. Die nordirischen Unionisten schwören, sie würden alles blockieren, die Schotten drohen mit Rücktritten, die Opposition will Neuwahlen und der Bewegungsspielraum von Theresa May beträgt Null Zentimeter in alle Richtungen.

Die einzige Chance der Europäer in diesem Chaos ist, die Prinzipienreiterei auf beiden Seiten so weit wie möglich zu begrenzen. Wenn die unionistische DUP, Theresa Mays Mehrheitsbeschafferin im Parlament, die geheiligten Grundsätze der Union Großbritanniens ins Spiel bringt, dann ist jeder rationale Vorschlag  zum Scheitern verurteilt. Entweder kann die Premierministerin ihnen ihre hehren Ideale noch abkaufen, oder es muss einfach noch viel mehr Druck entfaltet werden.

Ein gutes Ende ist noch fern und ungewiss

"Ruhig und geduldig", so hatte der EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Rande des Gipfels gesagt, werde er die Verhandlungen weiter führen. Die Europäer müssen tatsächlich unbeirrt so lange weiter mit den Briten reden, bis die steigende Panik auf der anderen Seite ein Einlenken möglich macht. Das könnte im Dezember passieren. Dabei sollte die EU ihren eigenen Spielraum in der Nordirlandfrage ganz ausnutzen. Wenn auch nur, um sich hinterher nicht fragen zu müssen, ob sie noch mehr hätte tun können.

Denn ob die bekannte Strategie, bei der der Frosch ganz langsam immer weiter erhitzt wird, bei den Brexit-Verhandlungen wirklich funktioniert, ist ungewiss. Premierministerin May ist schwach und kann jederzeit Opfer ihrer eigenen Partei werden. Die politische Lage in London ist unberechenbar und unübersichtlich, eine Mehrheit im Parlament am Ende keinesfalls gesichert. Die stärkste Waffe der Europäer ist dabei ihre Geschlossenheit. Und natürlich kennen die Regierungschef Murphys Gesetz. Sie hoffen eben nur, dass wie im Märchen am Ende alles gut wird.