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Nächste Front: Libyen

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Max Hofmann
2. Februar 2016

Die Erfolge der Anti-IS-Koalition im Irak und in Syrien zwingen die Terrororganisation zum Rückzug in Richtung Libyen. Der Westen wird dort um einen weiteren militärischen Einsatz kaum herumkommen, meint Max Hofmann.

US-Außenminister John Kerry beim Treffen der Anti-IS-Allianz in RomBild: Reuters/N. Kamm

Zu Beginn die gute Nachricht: Rund 10.000 Luftangriffe zeigen Wirkung. Die Koalition gegen den IS hat weite Landstriche im Irak und Syrien zurückerobern können und - was noch viel wichtiger ist - auch Städte wie Tikrit und Ramadi im Irak oder Kobane an der türkisch-syrischen Grenze. Sie versucht mit aller Macht Infrastruktur und Alltag wiederherzustellen, Minen zu entfernen, Gelände zu sichern, Schulen aufzubauen.

Hier nun die schlechte Nachricht: Wenn die Koalition die Terrororganisation wirklich ausradieren möchte, dann muss sie genau das und noch mehr auch in Libyen tun.

Warten auf die Einheitsregierung

Sicher ist die Strategie der Koalition nicht perfekt: Es fehlen zum Beispiel Bodentruppen. Und die Gemengelage insbesondere in Syrien ist so komplex, dass die beteiligten Länder von einem "Mission accomplished" noch weit entfernt sind. Aber die Kombination aus internationalen Luftangriffen und lokalen Bodentruppen - ausgebildet von Ländern der Allianz - funktioniert zumindest so gut, dass viele Kämpfer des IS nach Libyen ausweichen. Dort finden sie chaosgetränkten und damit fruchtbaren Boden vor. Außerdem reichhaltige finanzielle Quellen, insbesondere Menschenhandel. Und, wenn es so weitergeht, auch die Kontrolle über riesige Ölfelder.

Der offizielle Plan der Koalition ist, möglichst schnell eine Einheitsregierung in Libyen auf die Beine zu stellen, um die tödliche Fragmentierung des Landes einzudämmen. US-Außenminister Kerry zeigte sich in Rom optimistisch, dass diese Regierung schon bald steht. Hinter den Kulissen aber diskutieren Briten, Italiener und andere bereits eine militärische Operation. Sie haben keine andere Wahl.

Max Hofmann, DW-Korrespondent in Brüssel

Ob als Unterstützer einer Einheitsregierung oder unter dem Banner der Vereinten Nationen: Den IS auch in Libyen wirksam zu bekämpfen, wird nur mit einem ähnlichen Rezept funktionieren, wie in Syrien und dem Irak. In seiner Komplexität könnte Libyen sogar eine ganz neue Herausforderung darstellen: keine einheitliche Armee, die man ausbilden könnte, völlig verfeindete Gruppierungen, die sich immer tiefer in ihren Schützengräben verschanzen und keinerlei staatliche Infrastruktur auf der die Koalition aufbauen könnte.

Hoher Einsatz für Europa

Wegschauen ist auch keine Alternative. Denn was in Libyen auf dem Spiel steht, könnte für Europa noch gefährlicher sein als die Situation in Syrien. Was sind schon 17 Millionen potenzielle Kriegsflüchtlinge aus Syrien gegen den afrikanischen Kontinent, auf dem über eine Milliarde Menschen lebt. Libyen ist jetzt schon das Einfallstor all derer, die bitterer Armut, Krieg oder Diktatoren entkommen wollen. Wenn erst der Frühling da ist, werden die Migranten-Schlauchboote auch wieder von der libyschen Küste ablegen.

Das heißt: ob die Einheitsregierung in Libyen nun kommt oder nicht - die Koalition wird schon bald eine zweite militärische Front gegen den IS eröffnen müssen. Das klang beim Außenministertreffen in Rom vor allem von italienischer Seite zwischen den Zeilen überall durch. Den Bürgern in vielen Ländern der Koalition, insbesondere in Deutschland, wird das nicht gefallen. Aber wenn der bisherige Einsatz im Irak und in Syrien eines gezeigt hat, dann dies: Diplomatische Bemühungen müssen leider auch von militärischen flankiert werden. Anders ist der IS nicht zu besiegen.

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