Der Playoff-Boykott der Milwaukee Bucks, als Protest gegen Polizeigewalt, hat im gesamten US-Sport Wellen geschlagen. Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass die NBA eine Ausnahmestellung einnimmt, meint Davis Van Opdorp.
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Es ist kein Zufall, dass es ein NBA-Team war, das einen massiven Boykott auslöste, der sich fast über den gesamten US-Sport ausbreitet. Im Gegensatz zu anderen Profi-Sportligen in den Vereinigten Staaten hat die NBA lange Zeit geduldet, dass die Spieler die Bühne nutzen, die ihnen die beste Basketball-Liga der Welt bietet, um sich am gesellschaftlichen Diskurs zu beteiligen. Die NBA unternahm den beispiellosen Schritt, die "Black Lives Matter"-Bewegung aktiv zu fördern, als die wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Saison in der Walt Disney World in Orlando, Florida, wieder aufgenommen wurde.
Bühne für politische Forderungen
Als nun der 29-jährige Schwarze Jacob Blake vor den Augen seiner drei Söhne in Wisconsin mehrfach von einem Polizeibeamten in den Rücken geschossen wurde, war es daher keine Überraschung, dass die Milwaukee Bucks, deren Heimat-Bundesstaat Wisconsin ist, als erstes Team handelte.
Die Entscheidung der Bucks, am Mittwochabend nicht zum fünften Playoff-Spiel gegen die Orlando Magic anzutreten, führte in der Folge nicht nur zu mehr als einem Dutzend weiterer Spielverschiebungen im gesamten US-Sport, sondern sie wurde auch von den Teambesitzern "von ganzem Herzen" befürwortet und unterstützt.
Obwohl der erste Boykott in der Geschichte der seit 1946 bestehenden Liga eine bereits verschobene Saison weiter in Gefahr gebracht hat, bleibt die Tatsache, dass die NBA nach wie vor eine der wenigen Bühnen des Sports ist, auf der politische Forderungen nach sozialen Veränderungen willkommen sind.
Rückkehr mit Bedeutung
Ohnehin ging es für viele NBA-Profis bei der Rückkehr zum Sport im Juli nicht mehr nur um Basketball. Einige Spieler äußerten die Befürchtung, dass ein Saison-Neustart, auch wenn er für die Liga in finanzieller Hinsicht notwendig sei, den wichtigen Diskurs in der US-Gesellschaft über den Tod von Breonna Taylor und George Floyd durch Polizeigewalt übertünchen würde.
Daher erlaubte die NBA ihren Spielern, den Basketball-Court und die Übertragungen der Spiele aus der "Bubble" in Orlando zu nutzen, um einen sozialen Wandel im Land offensiv einzufordern. In Zeiten, da in den USA die größten und massivsten Antirassismus-Demonstrationen seit Jahren stattfinden und die "Black Lives Matter"-Bewegung sich lautstark bemerkbar macht, stellten sich die NBA-Profis an deren Spitze.
Der "Black Lives Matter"-Slogan wurde in jeder der Arenen, in denen auf dem Walt-Disney-Gelände die Spiele stattfinden, an prominenter Stelle gezeigt. Alle Auswechselspieler zogen, sobald sie vom Feld gingen, entsprechende T-Shirts über. Auch auf ihren Trikots, dort, wo sonst der Name steht, trugen die Spieler personalisierte Botschaften wie "Equality", "Justice now" oder "I am a man" - teilweise sogar in ihrer eigenen Sprache. So ist auf dem Rücken des deutschen Nationalspielers Maxi Kleber, der für die Dallas Mavericks aufläuft, "Gleichberechtigung" zu lesen.
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Die NBA hat dazugelernt
Solch eine ligaweite Solidaritätsbekundung mit Opfern sozialer Missstände und zur Unterstützung eines sozialen Wandels ist im Sport nur selten zu sehen. Und auch als die Spieler am Mittwoch mit ihrem Boykott noch einen Schritt weiter gingen, weil sie zum Ausdruck bringen wollten, dass Botschaften alleine nicht ausreichen, stand ihnen die Liga nicht im Weg.
Ein Saison-Abbruch möchte jedoch auch die progressive NBA verhindern. Nach einer Sitzung des Gouverneursrates am Donnerstag fiel die Entscheidung, die Saison zu Ende zu spielen, obwohl sich einige Spieler - darunter laut US-Berichten auch Lebron James - für die Absage der Playoffs aussprachen.
Doch wie die Milwaukee Bucks stand auch die NBA am Donnerstag voll hinter ihren Spielern. Die Mannschaften gaben über die sozialen Medien sogar die öffentlichen Telefonnummern und E-Mails des Bezirksstaatsanwalts und Bürgermeisters von Kenosha an die Fans weiter, damit diese ihre Beschwerden vorbringen können.
Der Umgang der NBA mit politischen Äußerungen von Klubmitgliedern oder Spielern war nicht immer vorbildlich: Im vergangenen Jahr etwa distanzierten sich die Houston Rockets von den Äußerungen ihres Generaldirektors Darryl Morrey, der die pro-demokratischen Proteste in Hongkong unterstützte. Chinesische TV-Sender hatten daraufhin erklärt, sie würden die Spiele der Mannschaft in China nicht mehr übertragen. Doch selbst in diesem Fall hatte NBA-Commissioner Adam Silver gesagt, die Rolle der Liga bestehe nicht darin, ihre Spieler, Trainer und Führungskräfte zu "regulieren".
Heute zeigt die Bereitschaft der Liga, die Gewalt und den Rassismus weißer Polizisten gegenüber der schwarzen Bevölkerung anzuprangern und den Spielern zu erlauben - ja sie sogar zu ermutigen - für das einzustehen, was ihrer Meinung nach richtig ist, dass sich die NBA von vielen Top-Sportligen der Welt positiv abhebt.
Adaption: Andreas Sten-Ziemons
Black Lives Still Matter: Der Sport bleibt dran
Nach den Polizeischüssen auf den Schwarzen Jacob Blake boykottieren die Teams der großen US-Ligen NBA, MLB und MLS geplante Spiele. Die "Black Lives Matter"-Bewegung ist seit Monaten auch im Sport präsent.
Bild: Imago Images/Zuma/Espn2
US-Sport steht weitgehend still
Aus Protest gegen die Polizeischüsse auf den Schwarzen Jacob Blake in der US-Stadt Kenosha boykottieren die Teams der nordamerikanischen Baskettball-Profiliga NBA ihre ursprünglich geplanten Spiele. Auch in der Major League Baseball wird aus Protest nicht gespielt.
Bild: Reuters/USA TODAY Sports/Kevin C. Cox
Sieben Löcher
Die Basketballerinnen der Profiliga WNBA schließen sich der Aktion ebenfalls an. Sie tragen T-Shirts, auf deren Rückseite sieben Einschusslöcher gedruckt sind. So oft wurde Jacob Blake von Kugeln in den Rücken getroffen.
Bild: Imago Images/Zuma/Espn2
Fünf Fußballspiele gestrichen
Nachdem das erste Spiel in der Major League Soccer (MLS) noch planmäßig ausgetragen worden ist, werden die restlichen fünf angesetzten Begegnungen ebenfalls gestrichen. Die MLS-Profis haben bereits Anfang Juli bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebs ein deutliches Zeichen für "Black Lives Matter" (Bild) gesetzt.
Bild: Getty Images/M. Ehrmann
NHL zieht nach
Auch die Spieler der Eishockey-Profiliga NHL lassen den Puck vorübergehend ruhen. Die Playoff-Spiele in Kanada werden daraufhin um zwei Tage verschoben. "Das hier ist eine viel stärkere Botschaft als alles, was ein oder zwei Spieler auf dem Eis machen könnten", sagt Ryan Reaves von den Vegas Golden Knights. Die Verantwortlichen der NHL unterstützen die Aktion.
Bild: picture-alliance/empics/J. McIntosh
Osaka boykottiert WTA-Turnier
"Als schwarze Frau habe ich das Gefühl, dass es viel wichtigere Dinge gibt, die sofortige Aufmerksamkeit erfordern, als mir beim Tennisspielen zuzuschauen", sagt Japans Tennisstar Naomi Osaka. Die zweimalige Grand-Slam-Turniersiegerin zieht sich aus dem WTA-Turnier in New York zurück. Daraufhin werden alle Spiele des Tages abgesagt. Später erklärt sich Osaka bereit, das Turnier fortzusetzen.
Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Franklin II
"Black Lives Matter"-Shirts
Bereits seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs demonstriert die NBA geschlossen ihre Solidarität für die "Black Lives Matter"-Bewegung. Alle Beteiligten außerhalb des Spielfelds tragen T-Shirts oder Pullover mit entsprechenden Aufdrucken - und knien vor Anpfiff nieder. Basketball Superstar LeBron James (2.v.r.) zeigt zum Himmel, um an die bei Polizei-Aktionen getöteten Schwarzen zu erinnern.
Bild: picture-alliance/AP Photo/K. C. Cox
Späte Erkenntnis der NFL
Urvater des "Take a knee" ist Football-Profi Colin Kaepernick (2.v.r.), der sich vor vier Jahren erstmals während der Nationalhymne hinkniet, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu protestieren. US-Präsident Donald Trump tobt, Kaepernick verliert wenig später seinen Job. "Ich wünschte, wir hätten früher zugehört, Kaep", entschuldigt sich NFL-Boss Roger Goodell vier Jahre später.
Bild: picture-alliance/dpa/M. J. Sanchez
Bundesliga gegen Rassismus
Nach dem Tod des Schwarzen George Floyd nach einer Polizeiaktion in Mínneapolis Ende Mai schwappt die "Black Lives Matter"-Bewegung auch auf den Sport außerhalb der USA über. Die Bundesliga-Profis - wie hier Thomas Müller (l.) und Alphonso Davies vom FC Bayern vor dem Spiel Anfang Juni bei Bayer 04 Leverkusen - bekunden ihre Solidarität.
Bild: picture-alliance/R. Ibing
Torjubel auf den Knien
Nicole Anyomi von der SGS Essen bejubelt ihr Tor im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den 1. FFC Turbine mit der Kaepernick-Pose. "Wir sind jetzt im Jahr 2020, und es herrschen immer noch Rassismus und Ungerechtigkeit", sagt Anyomi der DW. "Wir müssen unsere Stimme erheben und etwas dagegen sagen. Du kannst nicht, wenn etwas passiert, danebenstehen, zuschauen und nichts sagen."
Bild: Imago Images//M. Koch
Premier League unterstützt "Black Lives Matter"
100 Tage dauert die Corona-Pause der englische Premier League. Als die Fußballprofis wieder zu "Geisterspielen" auflaufen dürfen, setzen auch sie - wie hier beim Spiel zwischen Aston Villa und Sheffield United - ein deutliches Zeichen gegen Rassismus.
Bild: Getty Images/AFP/C. Recine
Auch Cricket macht keine Ausnahme
Auch in vielen anderen Sportarten gibt es weltweit Protestaktionen gegen Polizeigewalt gegen Schwarze. Das Cricketteam der Westindischen Inseln in der Karibik kniet vor dem Test in Manchester gegen England nieder.
Bild: picture-alliance/empics/NMC/M. Steele
"Wir brauchen euch als Anti-Rassisten"
Formel-1- Weltmeister Lewis Hamilton wird nicht müde, seine Kollegen daran zu erinnern, dass Solidaritätsaktionen - wie hier vor dem Grand Prix in Silverstone - zu wenig sind. "Euer Schweigen ist immer noch ohrenbetäubend", sagt Hamilton. "Vielleicht seid ihr nicht rassistisch in eurem Schweigen, aber wir brauchen euch als Anti-Rassisten." Hamiltons Mercedes-Team fährt in dieser Saison in Schwarz.
Bild: Reuters/B. Lennon
In der Stunde des Triple-Triumphs
Als der FC Bayern die Champions League gewinnt und damit das Triple perfekt macht, nutzt Verteidiger David Alaba (l.) die Gelegenheit zu einem sowohl religiösen als auch politischen Statement. Vorne auf seinem T-Shirt steht "Meine Kraft liegt in Jesus", hinten "Black Lives Still Matter".