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Politik

Nerven behalten bis zu den US-Wahlen

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
16. Juni 2020

Auch wenn Donald Trump wieder herumtobt und Deutschland rüde kritisiert - es lohnt sich nicht mehr, auf dieses Gezeter zu antworten. Denn ab jetzt werden die USA vom Wahlkampf beherrscht, meint Barbara Wesel.

Bild: Reuters/C. Barria

Wir haben das alles in ähnlicher Form schon gehört. Die Sache mit den angeblichen NATO-Beiträgen, die Deutschland nicht zahlen würde. Und den Vorwurf, ausgerechnet die USA würden durch die deutschen Export-Erfolge irgendwie übervorteilt. Die Beschimpfungen in Richtung Berlin sind faktisch Unsinn und politisch eine Unverschämtheit. Aber so ist dieser US-Präsident nun einmal - er will mit der Wahrheit nichts zu tun haben, selbst wenn sie ihm ins Gesicht springen würde.

Wir haben nun oft genug eingeräumt, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig für Verteidigung ausgegeben haben. Es ist auch klar, dass das mit der deutschen Geschichte zu tun hat. Aber da unbewaffneter Pazifismus eher schlechte Zukunftschancen hat, steigen die Ausgaben seit einiger Zeit kontinuierlich. Das Geld muss aber sinnvoll eingesetzt und nicht wahllos zum Ankauf beliebiger amerikanischer Waffensysteme aus dem Fenster geworfen werden. Obwohl Donald Trump das natürlich am allerliebsten wäre.

Das Theater um die Verteidigungskosten

Wenn der Präsident aber nun zum x-ten Male den Unsinn mit dem NATO-Beitrag loslässt, den Berlin zahlen müsste und der angeblich die USA belastet, dann ist das reiner Wahlkampf. Trump will nur vom Debakel seiner Corona-Politik ablenken oder vielmehr vom völligen Fehlen einer solchen Politik. Weit über 100.000 US-Bürger sind an der Krankheit gestorben, die Öffnung des Landes ist voreilig und die surrealistischen Briefings im Weißen Haus während der Krise waren schockierend. Noch ein Schluck Chlorbleiche gefällig?

Barbara Wesel ist Europa-Korrespondentin

Da kommt das Theater um den Abzug der US-Truppen aus Deutschland gerade recht. Und kaum jemanden dürfte wundern, dass der Ex-Botschafter und bekennende Deutschlandfeind Richard Grenell bei dieser oberschlauen Idee eine Rolle gespielt haben soll. Sein unheilvolles Wirken in Berlin war Zeugnis seiner Gesinnung. Vielleicht verfängt dieser populistische Unsinn ja bei Trumps Anhängern, die trotz aller Richtigstellungen weiter an die Lügen ihres Präsidenten glauben wollen.

Dazu gehört auch die Suggestion, dass die USA irgendwie Opfer dunkler Kräfte seien, die gegen Washington agieren. Und der Gegner sitzt offenbar in Berlin. Kein Wunder, denn Demokratien liegen Trump nicht - er wirft sich lieber Diktatoren an die Brust. Seine Männerfreunde heißen Putin, Erdogan und Kim Jong Un. Seine Sympathie für den chinesischen Präsidenten Xi ist wohl größer als die für Angela Merkel.

Nichts als Neid und Missgunst

Die ständigen Drohungen mit Handelssanktionen sind inzwischen nur noch nervig. Wenn Donald Trump findet, dass die USA zu wenig exportieren, soll die amerikanische Industrie eben bessere Produkte herstellen. Außerdem kommt die weltweite Dominanz von Google, Apple, Microsoft und Amazon in seinen Tiraden nie vor. Wenn aber andere Erzeugnisse keinen Markt finden, muss das wohl bedeuten,  dass sie nicht konkurrenzfähig sind. Bei den Lebensmitteln kann man nur rufen: Liebe Freunde, esst eure Chlorhühnchen und genmanipulierten Pflanzen alleine! Oder verkauft sie demnächst an die Briten, die scheinen da kompromissbereit.

Warum aber sollte Deutschland teures US-Fracking-Gas kaufen, das um die halbe Welt transportiert werden muss, wenn es Erdgas in der Nachbarschaft bekommen kann? Zugegeben wurde das Geschäft mit Russland zu einer Zeit vereinbart, als man noch an eine mögliche Partnerschaft glaubte. Aber soll man die fast fertige Nord Stream 2-Pipeline jetzt einmotten, nur weil Trump es so will? Das könnte aus geopolitischen Gründen sowieso noch nötig werden. 

Nur noch Wahlkampf

Alle diese rationalen Argumente - gegen den Abzug von US-Truppen aus Deutschland, für eigene Entscheidungen bei der Energieversorgung, gegen die Strafzölle für französischen Wein und deutsche Autos - sind genug erörtert. Alles, was aus Washington in den nächsten Monaten noch kommen wird, sind die Ausbrüche eines emotional inkontinenten Präsidenten - und der Rest ist Wahlkampf.

Es lohnt sich nicht, die Frage nach der Zuverlässigkeit des Bündnispartners USA überhaupt noch zu stellen, geschweige denn diplomatische Antworten darauf zu suchen. Man sollte es so machen wie Angela Merkel: das Getöse einfach ignorieren. Und darüber  hinaus müssen wir abwarten, was die Wahl im November bringt. Die westliche Welt hofft, träumt und fleht, dass es einen neuen Präsidenten geben wird. Und bis dahin müssen wir einfach die Nerven behalten.

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