Kommentar: Griechenland gerettet - wieder einmal
27. November 2012 Die Finanzminister der Euro-Zone, die Chefin des Internationalen Währungsfonds und der Chef der Europäischen Zentralbank scheinen seltsamerweise Gefallen an masochistischen Nachtsitzungen zu finden. Warum sonst sollten sie sich zum dritten Mal in drei Wochen zu einer schlaflosen Nacht in Brüssel versammelt haben? Geht es noch um sachliche Entscheidungsfindung? Nein, denn an den Fakten hat sich in den letzten drei Runden nichts geändert.
Die Fakten sind ziemlich klar: In Griechenland klafft bis zum Jahr 2016 wegen der dramatischen Rezession, zu hoher Neuverschuldung und zu langsamen Reformen eine Finanzierungslücke von rund 30 Milliarden Euro. Und zwar zusätzlich zu den bislang bewilligten 230 Milliarden Euro in den Rettungsschirmen. Das Geld muss irgendjemand aufbringen, wenn Griechenland nicht pleite gehen soll. Die Rezepte und Instrumente, die nun schon seit Wochen durchgerechnet werden, laufen am Ende immer auf das gleiche Ergebnis hinaus: Die solventen Staaten der Euro-Zone müssen noch mehr Geld in die Hand nehmen und höhere Risiken eingehen.
Den Erlass eines Teil der griechischen Schulden durch die Gläubiger-Staaten halten viele Experten und Bankfachleute für den besten Weg, um Griechenland wieder aufs Gleis zu setzen. Doch dieser Schuldenschnitt ist in Deutschland und auch in anderen Euro-Staaten politisch nicht durchsetzbar. Deshalb setzt man jetzt auf den Rückkauf von Schulden durch Griechenland oder auf eine Streckung und Absenkung der Zinsen oder auf die freiwillige Rückerstattung von Gewinnen der Zentralbank. Auch diese komplizierten Maßnahmen bewirken einen Schuldenschnitt - wenn auch nur auf Raten. Die Kosten dafür tragen selbstverständlich auch die Steuerzahler in den Euro-Staaten, nur geht das ganz langsam vonstatten und nicht so klar und hart wie bei einem Schuldenschnitt.
Die Euro-Retter in Brüssel sollten die zahlenden Bürger in den solventen Euro-Staaten nicht für dumm verkaufen. Die Rettung des bankrotten Staates Griechenland wird viel Geld kosten. Das sollten die Finanzminister nicht länger verschweigen, auch wenn sie sich mit Ach und Krach beim dritten Anlauf zu einem Kompromiss durchringen konnten. Dass Griechenland seine Schulden je allein wieder wird bedienen oder gar zurückzahlen könnte, ist eine Illusion. Der Zeitplan für die Rettung des Staates oder vielmehr der Gläubiger, die griechische Staatsanleihen gekauft haben, ist nicht mehr zu halten. EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank haben falsch kalkuliert. Griechenland hat durch zu langsame Reformen und zu langes Zögern seinen Teil zur falschen Rechnung beigetragen. Die Wirtschaft ist um fast ein Viertel geschrumpft; das Land ist am Boden.
Die Schulden aber steigen weiter. Sie stiegen auch in den letzten zweieinhalb Jahren trotz aller Rettungs-Milliarden. Die Kredite aus Washington, Brüssel und den Hauptstädten der Euro-Zone kommen übrigens nur zu einem kleinen Teil den Menschen in Griechenland zugute. Der Löwenanteil wird gleich wieder als Schuldendienst an die Gläubiger - seien es private Banken oder staatliche Notenbanken - überwiesen. Aus diesem Dilemma gibt es keinen preiswerten, schmerzlosen Ausweg; auch nicht für die Gläubiger. Der Schuldenschnitt muss kommen und wahrscheinlich braucht Griechenland auch eine neue Währung, um sich aus dem Sumpf wieder hochzuarbeiten. Das Rezept "Weiter so!", auf das auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble setzt, funktioniert nicht mehr. So waren die Euro-Zonen-Minister, die IWF-Chefin und Europas Zentralbankchef nicht nur schlaflos, sondern auch ratlos in Brüssel.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Regierungschefs haben im Sommer versprochen, sie wollten Griechenland um jeden Preis in der Euro-Zone halten. Dieser Preis ist hoch und er wird sehr bald zu zahlen sein.