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Gesellschaft

Nicht nur Arschlöcher fahren SUVs

15. Dezember 2019

Trotz Greta Thunberg und Fridays for Future: In diesem Jahr rollen über eine Million neue SUVs und Geländewagen auf Deutschlands Straßen. Paul-Christian Britz fragt sich: Sind die Deutschen jetzt total bescheuert?

Greenpeace-Protest gegen den Import von spritfressenden SUVs am Autoterminal in BremerhavenBild: picture-alliance/dpa/B. Marks

SUV-Fahrer drängeln auf der Autobahn, blockieren gerne gleich mehrere Parkplätze in überfüllten Innenstädten und zu allem Überfluss machen sie auch noch unser Klima kaputt. Dass hier das eigene Ego über den Interessen anderer steht, ist eigentlich nicht zu übersehen. Soweit das Stereotyp.

Dabei brüstet sich Deutschland gerne als Land der Vernunft, der Dichter und Denker. Und vorneweg beim Umweltschutz wollen wir auch sein. Schließlich trennen wir ordentlich unseren Müll und waren einmal Energiewende-Vorreiter. Alles nur deutsche Doppelmoral? Leben in Deutschland nur noch selbstgerechte Idioten?

Kein Grund zur Panik

Noch gibt es keinen Grund zur Panik. Diese Hoffnung nähren zumindest finnische Forscher. Sie haben kürzlich untersucht, welche Art von Menschen sich ein dickes Auto kauft. Die Studie trägt den griffigen Namen "Nicht nur Arschlöcher fahren Mercedes" ("Not only assholes drive Mercedes").

Befragt wurden rund 1900 Finnen. Die sind laut Wissenschaft den Deutschen in Moralvorstellungen und Einkommensstruktur sehr ähnlich. Die Befragten wurden in verschiedene Charakterklassen eingruppiert, nach einem in der Psychologie üblichen Fünf-Faktoren-Modell:

- Offenheit für Erfahrungen (Aufgeschlossenheit)
- Gewissenhaftigkeit (Perfektionismus, Disziplin, Leistungsbereitschaft)
- Verträglichkeit (Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft, Empathie)
- Extraversion (Geselligkeit)
- Neurotizismus (emotionale Labilität und Verletzlichkeit)

Zu den wenig überraschenden Ergebnissen: Vor allem Männer fahren dicke Schlitten. Soweit so langweilig. Zudem: Die Fahrer von Luxusautos sind in der Mehrzahl eher schwierig im Umgang, weniger sozialverträglich, etwas selbstverliebt und egoistisch. Wir ahnten es.

Wenn Greta-Zöpfe aus dem Kofferraum hängen

Auf die Spitze treiben das Jene, die am Heck ihres SUV mit Anti-Klimaschutz-Sprüchen protzen oder Greta Thunberg-Zöpfe aus dem Kofferraum hängen lassen. Sie haben soziale Unverträglichkeit und Protest zu ihrer Marke gemacht. Motto: Jetzt erst recht! Dann aber wird es in der Studie richtig interessant: Auch besonders gewissenhafte Menschen fahren häufig Luxusautos. Bitte wie? Das sind Menschen, die Wert auf Disziplin legen, Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft an den Tag legen.

DW-Redakteur Paul-Christian Britz

Es macht schon nachdenklich, wenn Eltern ihren Nachwuchs in Maschinen vor Kindergärten und Schule abliefern, deren Motorhaube über den Kopf des Kindes hinausragt. Springt ein Kind plötzlich vor den Wagen, kann trotz erhöhter Sitzposition kaum von "Überblick" die Rede sein. Aber zumindest steckt hinter dem Autokauf kein mieser Charakter. Womöglich ist das Gegenteil der Fall. Aber wie passt das zusammen?

Menschen kaufen Autos, die ihre tatsächliche oder ideale Persönlichkeit widerspiegeln. Das gilt zumindest noch in der Generation, in der Autos gekauft werden. Der durchschnittliche Autokäufer in Deutschland ist 53 Jahre alt.

Wer weniger sozialverträglich ist, hält sich in der Regel auch nicht an Normen (wie etwa Spurbreite), zeigt sich generell narzisstischer und aggressiver. Gewissenhafte Menschen dagegen haben ein hohes Bewusstsein für Qualität, streben nach Verlässlichkeit und Perfektionismus oder wollen Leistung zeigen. In beiden Fällen passen die dicken Autos der Luxushersteller, also gerade SUVs, prima in das eigene Lebenskonzept.

Appell ans Gewissen der Gewissenhaften

"So sind die Leute eben, kann man nicht ändern", könnte man nun resümieren. Bei Protest-Fahrern mag das stimmen. Doch bleibt noch Hoffnung für Klima und Verkehrs-Frieden: Denn gewissenhafte Menschen lassen sich überzeugen. Einerseits mit verlässlichen und qualitativ hochwertigen, alternativ angetriebenen Fahrzeugen. Oder noch besser: mit einem verlässlichen öffentlichen Verkehr. Das mag naiv klingen, wäre aber möglich, wenn Autohersteller und Politik sich ins Zeug legen.

Andererseits können wir als Mitmenschen den Gewissenhaften wortwörtlich ins Gewissen reden. Die Flugscham hat in Schweden bereits zum Rückgang von Flugreisen geführt und macht sich auch in Deutschland breit. Ihr kleiner Bruder, die SUV-Scham, schwappt ebenfalls nach Deutschland. Und das könnte die protzigen Autos für gewissenhafte Menschen tatsächlich unattraktiv machen. Denn welcher verantwortungsvolle und sozialverträgliche Mensch möchte schon die Zukunft seiner Kinder oder Enkel auf dem Gewissen haben? Zumal, wenn er dadurch im Ansehen der Mitmenschen verliert?

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