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Politik

Bisher nur ein Traum auf Papier

8. Juli 2019

Der Handel innerhalb Afrikas hat ein riesiges Potenzial. Ob er sich aber mit der verabredeten Freihandelszone beleben lässt, müssen die mehr als 50 beteiligten Staaten erst noch beweisen, meint Claus Stäcker.

Lange LKW-Staus sind an den afrikanischen Staatsgrenzen bis heute üblichBild: Getty Images/AFP/S. Kambou

Neulich kaufte sich ein Freund aus Simbabwe ein neues Auto. Die Ersparnisse reichten nur für einen Gebrauchten. Das Internet war ausnahmsweise stabil, also ging er auf ein Online-Portal, suchte, verglich. Prüfte Kilometerstände, Kofferraumvolumen und Verbrauch und schließlich bestellte er. Aber nicht in Simbabwe. Nicht mal im benachbarten Südafrika, wo es eine veritable Autoindustrie und einen großen Gebrauchtwagenmarkt gibt. Sein Wunschwagen stand in Japan und der Händler in Yokohama bereitete flugs die Frachtpapiere vor.

Bald die weltgrößte Freihandelszone

Ein Makler sorgte dafür, dass der gebrauchte Kompaktwagen ein paar Wochen später in Südafrikas größtem Hafen Durban anlandete. Um die Kosten für die Überführung zu sparen, fuhr mein Freund mit dem Bus direkt dorthin. Zwei Tage später kam er an, übernahm den Wagen und fuhr stolz mit ihm die 1.700 Kilometer wieder zurück. Weil alle Papiere Japanisch waren, wurden an der Grenze noch ein paar Dollar für Extra-Dienstleistungen fällig. Auch die eine oder andere Straßensperre machte ihm noch zu schaffen. Aber irgendwann war es geschafft: Das Auto stand im Hof und zufrieden rechnete er vor, dass er trotz allem immer noch 800 Dollar gespart hatte.

Claus Stäcker leitet die Afrika-Programme

So sieht sie aus, die aktuelle Zollunion der südafrikanischen Regionalgemeinschaft SADC, eine der fünf Subregionen, die bald die neue Afrikanische Freihandelszone mit dem sperrigen Kürzel AfCFTA bilden sollen. Am vergangenen Wochenende hat die Afrikanische Union (AU) sie bei ihrem Gipfel im Niger auf den Weg gebracht und damit nach eigener Wahrnehmung Historisches vollbracht. Nach langem Zögern war auch Afrikas größte Volkswirtschaft Nigeria der AfCFTA beigetreten - auf dem Papier ist damit die größte Freihandelszone der Welt erschaffen. Nur das wirtschaftlich unbedeutende Eritrea ist jetzt noch außen vor. In der Welthandelsorganisation WTO wird der 54-Staaten-Bund damit zum größten internationalen Handelsblock - ein weiterer Superlativ. 

Mit Blick auf die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer und der Sahara wünscht sich wohl jeder, dass Afrika schnell wirtschaftliche und soziale Fortschritte macht. Aber beim Tempo und der Ernsthaftigkeit der Umsetzung fehlen noch die Superlative. Denn der afrikanische Handelstraum setzt ja schon Patina an: Bereits 1980 hatte die AU-Vorgängerorganisation OAU die ökonomische Integration des Kontinents beschlossen. Im "Lagos Action Plan" war nicht nur freier Handel, sondern sogar eine gemeinsame Währung vorgesehen. Im aktuellen Entwicklungsplan für Afrika, der Agenda 2063, sind neben dem freien Handel 14 große Unterziele verabredet. So sollen die 54 Hauptstädte mit Schnellzügen verbunden werden. Aber oft gibt es noch nicht mal Strom, geschweige denn Straßen oder Breitbandnetze. An den Grenzen stehen Trucks tagelang Schlange. Mit dem Flugzeug kommt man einfacher von Afrika nach Europa als innerhalb von Afrika von A nach B. So sehr misstrauen sich die Länder gegenseitig, dass sie nicht einmal den afrikanischen Einheitspass anerkennen.

Bisher fast kein innerafrikanischer Handel

Afrikas Anteil am Welthandel liegt seit 20 Jahren unverändert bei knapp 2,5 Prozent. Seine kontinentale Wirtschaftskraft noch nicht mal halb so groß wie Japans. Das Wirtschaftswachstum schrumpfte zuletzt auf drei Prozent und basiert weiterhin vor allem auf dem Außenhandel mit Öl, Gold, Diamanten, Edelmetallen und Kakao. Der innerafrikanische Warenaustausch macht gerade mal zwölf Prozent des Handelsvolumens aus. Dort liegt das größte Potenzial, denn viele Produkte wären innerhalb Afrikas viel konkurrenzfähiger als im globalen Handel. Aber laut der Wirtschaftskommission für Afrika sind die Transportkosten innerhalb Afrikas die höchsten der Welt. Einen Frachtcontainer von Tokio nach Abidjan (Elfenbeinküste) zu bringen, kostet beispielsweise rund 1.300 Euro, ein innerafrikanischer Transport von Addis Abeba (Äthiopien) nach Abidjan dagegen 4.500 Euro - mehr als das Dreifache.

Dass sich ein Simbabwer eher einen Gebrauchtwagen in Japan ordert, statt einen in Afrika gebauten VW, Nissan oder BMW zu kaufen, dokumentiert die derzeitige Misere. Afrikas Staats- und Regierungschefs mögen sich also groß feiern für ihr Abkommen in Niamey. Ob es historisch war, wird sich erst an ihrem politischen Handeln zeigen.

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