Europas Fußballverband hat einen neuen Präsidenten. Nach dem schmählichen Abgang des wegen Korruption von allen Fußballämtern gesperrten Michel Platini sind mit seinem Nachfolger Aleksander Ceferin große Hoffnungen verbunden. Unter dem Neuen soll endlich wieder alles gut werden.
Doch der Start Ceferins ist gleich mit einigen Makeln behaftet: Vorwürfe über fragwürdige Deals und "Vetternwirtschaft" stehen im Raum. Angeblich soll Ceferin den Fußballverbänden Nordeuropas für ihre Stimmen bei der Wahl seine Unterstützung für eine gemeinsame EM-Bewerbung 2028 zugesagt haben. Die Dänen, Norweger, Schweden und Finnen hatten sich als Erste für Ceferin stark gemacht. Im Hintergrund soll Kjetil Siem, ehemals Generalsekretär des norwegischen Fußballverbandes und jetzt Berater von FIFA-Chef Gianni Infantino, für den Präsidentschaftskandidaten die Strippen gezogen haben, und auch Russland und dessen umstrittener Verbandschef Witali Mutko seien treibende Kräfte gewesen, heißt es immer wieder. Weil eine offene Unterstützung Mutkos in diesen Tagen aber keinen guten Eindruck macht, hat man wohl die generell als integer und sympathisch geltenden Skandinavier vorgeschickt.
Ceferin hat derartige Mauscheleien stets bestritten, dennoch wirkt es, als bediene sich der neue UEFA-Präsident der gleichen oder ähnlicher Mittel wie sein Vorgänger, dessen Geister man eigentlich loswerden will.
Gute Agenda, schlechte Agenda
Die Agenda Ceferins ist dabei nicht schlecht - wenn er sie denn konsequent umsetzt, beziehungsweise umsetzen kann. Schließlich wäre er auf die Unterstützung der Mitgliedsverbände angewiesen, die bei Reformplänen keinesfalls vorausgesetzt werden darf. Viele von Ceferins Zielen decken sich mit denen seines Konkurrenten Michael van Praag. So möchte der neue UEFA-Präsident nach der Europameisterschaft 2020, die verteilt auf 13 Länder stattfinden wird, die EM 2024 wieder in nur einem einzigen Gastgeberland ausrichten. Zudem kündigt er an, hart gegen Doping, Korruption und Wettbetrug vorgehen zu wollen. Und sogar die Einrichtung einer Compliance-Abteilung erwähnte er in seiner Wahlrede. Alles begrüßenswerte Maßnahmen.
Keine Ethikkommission, keine Distanz zu Platini
Ceferins Agenda ist aber gleichzeitig nicht ausnahmslos gut: Zwar kritisiert er als Präsident des kleinen slowenischen Verbandes glaubhaft die neueste Reform der UEFA-Champions-League, die ab Sommer 2018 zunächst für drei Jahre gilt und den ganz großen und reichen Klubs noch mehr Geld auf die Konten spülen wird. Er verspricht aber nicht, sich dafür einzusetzen, dass die Reform 2021 wieder zurückgenommen wird. Schließlich - so Ceferin - sei das Beschlossene immer noch besser als eine Super-Liga der besten Klubs außerhalb der UEFA. Mut und Bereitschaft, den mächtigen Klubbesitzern Europas die Stirn zu bieten, sehen anders aus.
Auch an der viel kritisierten Praxis, den Ausrichter der Europameisterschaft nur von dem kleinen Kreis des Exekutivkomitees bestimmen zu lassen, will er offenbar nichts ändern. Das könnte auch der Grund sein, warum der DFB, der zunächst für van Praag stimmen wollte, vor einigen Wochen doch ins Ceferin-Lager umschwenkte. Man habe sich umentschieden, so DFB-Präsident Grindel, weil Ceferin jünger sei und die bessere Perspektive habe. Unter der Hand wird allerdings spekuliert, dass Ceferin Deutschland mit dem Versprechen geködert habe, sich für eine Europameisterschaft 2024 in Deutschland stark zu machen. Sollte die deutsche EM-Bewerbung tatsächlich den Zuschlag erhalten, würden diese Gerüchte wohl postwendend wieder hervorgekramt. Die WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 lassen grüßen.
Und schließlich mangelt es Ceferin an Distanz zu seinem Vorgänger. "Michel Platini hat großartige Dinge für die mittelgroßen und kleinen Verbände erreicht und war ein charismatischer Anführer", schwärmte Ceferin im Vorfeld der Wahl. Bei Platinis umstrittener Abschiedsrede vor dem UEFA-Kongress in Athen, bei der der scheidende UEFA-Boss sich uneinsichtig zeigte, was die eigenen Fehler anging, spendete Ceferin gemeinsam mit den anderen Delegierten brav Applaus.
Aleksander Ceferin hatte im Vorfeld seiner Wahl selbstbewusst angekündigt: "Es muss sich einiges ändern. Ein neuer Wind muss her, neue Ideen. Und dafür bin ich der Richtige." Das muss er jetzt allerdings auch beweisen.
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