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Politik

Nur Gute und Böse in Syrien?

26. Dezember 2016

Die Schlacht um Aleppo ist vorbei. Der syrische Bürgerkrieg geht weiter. Stimmungsmache gegen Moskau, Teheran, Damaskus ist kontraproduktiv. Denn das Bild ist nicht schwarz-weiß, sondern grau, meint Matthias von Hein.

Schneefall über den Ruinen von Aleppo. Der Winter macht das Überleben der Zivilisten noch schwieriger.Bild: picture-alliance/Photoshot

Man hat es schon so oft gehört. Trotzdem muss man auch im syrischen Bürgerkrieg daran erinnern: Das erste Opfer des Krieges ist stets die Wahrheit. Wobei die geschickte Verdrehung der Wahrheit erfolgreicher ist als die blanke Lüge. Und selektive Darstellung die Stimmung am effektivsten in eine bestimmte Richtung massiert.

Aktuelles Beispiel: Die Schlacht von Aleppo. Auf unseren Bildschirmen sah man fast ausschließlich die Luftangriffe der syrischen und der russischen Luftwaffe auf Wohngebiete in Aleppo. Ausgiebig bebildert wurde die ja tatsächlich dahinter steckende Barbarei, der Zynismus von Assad und seinen Unterstützern, ihre sprichwörtliche Bereitschaft, über Leichen zu gehen. Betont wurde immer wieder die prekäre humanitäre Lage in der belagerten Stadt.

Auch die Rebellen handeln zynisch

Aber wo konnte man erfahren, dass die Rebellen selbst ebenso zynisch agieren? Sie haben Menschen als Schutzschilde missbraucht. Sie haben die Bewohner Ost-Aleppos immer wieder an der Flucht in den Westteil gehindert. Und sie haben ebenfalls mit Raketen und Mörsern in die Gebiete im Westteil der Stadt geschossen, ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung dort.

DW-Redakteur Matthias von Hein

Apropos Rebellen: Die bestanden vor allem aus salafistisch-dschihadistischen Gruppen. Zur Wahrheit gehört deshalb auch: Im Ostteil Aleppos saßen keine Demokraten. In vielen Vierteln galt die Scharia; dort durften Frauen nur verschleiert auf die Straße. Der wesentliche Unterschied zum sogenannten "Islamischen Staat": Der IS will ein weltweites Kalifat. Die syrischen Dschihadisten begnügen sich vorerst mit einem syrischen.

Das sagt nicht nur die syrische Propaganda oder die russische. Das sagt auch der Sprecher der US-Militärintervention gegen den IS, der Operation Inherent Resolve. Colonel Steve Warren erklärte am 16. April vor der Presse, Ost-Aleppo werde vor allem von der al-Nusra Front gehalten.

Waffen für alle, die gegen Assad waren

Wer einen höherrangigen Zeugen möchte, dem sei eine Rede von US-Vizepräsident Joe Biden in Harvard vom Oktober 2014 empfohlen. Da erklärt Biden nicht nur frustriert, in Syrien gebe es keine moderate Mitte. Der US-Vizepräsident beklagte zudem öffentlich, die US-Verbündeten Türkei und Saudi-Arabien seien die größten Probleme der USA in Syrien. Biden führte aus, beide Länder seien versessen auf den Sturz Assads gewesen. Sie hätten Hunderte Millionen Dollar und Tausende Tonnen Waffen an jeden verteilt, der gegen Assad kämpfen wollte - nur dass dies eben der Al-Kaida Ableger al-Nusra und extremistische Dschihadisten aus anderen Teilen der Welt gewesen seien.

Der US-Militärgeheimdienst DIA hatte schon 2012 in einer Analyse gewarnt, der ursprünglich friedliche und demokratische Protest in Syrien sei mittlerweile islamistisch dominiert. Das Papier warnte bereits damals vor der möglichen Entstehung eines salafistischen Staates, wie er ja 2014 tatsächlich vom IS ausgerufen wurde. Chef der DIA war damals übrigens Michael Flynn, der kommende Sicherheitsberater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump.

Was bedeutet das für die Berichterstattung über Aleppo, über Syrien? Vor allem Skepsis und das ehrliche Bemühen um ein umfassendes Bild. Natürlich müssen Medien das Grauen des Krieges darstellen. Auch das Kämpfen, Leiden und Sterben in Ost-Aleppo. Aber wenn sie es ernst meinen mit ihrem Informationsauftrag, darf das nicht einseitig passieren.

Auch in Mossul wird gelitten und gestorben

Rund 700 Kilometer von Aleppo wird eine andere Stadt belagert, die Millionenstadt Mossul im Irak. Auch dort sterben Zivilisten, eine halbe Million Menschen sind von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Im kalten Winter fehlt es an Nahrung und Brennstoff. Hier ist eine vom Westen unterstützte Koalition der Belagerer. So wie zuvor, als die Städte Ramadi und Falludscha vom IS befreit wurden. Diese Städte wurden dabei zu 80 Prozent zerstört. Davon sieht man wenig und hat man wenig gesehen. Genauso wenig, wie vom Einsatz völkerrechtswidriger Streubomben im Jemen. Erst Anfang Dezember hatte eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition mit Streumunition zwei Schulen beschossen.

Unrecht muss angeprangert werden, egal von wem es begangen wird. Selektive Darstellung ist Stimmungsmache. Konflikte wie der in Syrien brauchen aber nicht mehr Stimmung, sondern kühle Fakten. Und auch, wenn es sich weniger gut liest, bedeutet das: weniger schwarz-weiß, mehr Grautöne.

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