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Politik

Orbans "nützliche Idioten"

DW Kommentarbild - Bayerischer Rundfunk Stephan Ozsvath
Stephan Ozsváth
7. März 2019

Die EVP hat Ungarns Ministerpräsident und der Fidesz-Partei ein Ultimatum für den Verbleib im konservativen Parteienbund gestellt. Doch wenn Orban gehen muss, sollten auch seine Förderer abtreten, meint Stephan Ozsváth.

EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (li.) mit Ungarns Ministerpräsident Viktor OrbánBild: picture-alliance/dpa/S. Koszticsak

Viktor Orban hält seine Kritiker in der Europäischen Volkspartei (EVP) für "nützliche Idioten", für schwach. Er hat recht. Der Gegenspieler des Macho-Ungarn ist das politische Leichtgewicht Manfred Weber von der bayrischen CSU. Der EVP-Fraktionschef hat schon so oft öffentlich "rote Linien" gezogen, über die Orban immer wieder seine Pfauenschritte getanzt hat. Folgenlos. Also setzte er den nächsten Schritt.

It takes two to Tango. Orban hat die Schrittfolge vorgegeben, die EVP-Führung hat sich führen und verführen lassen. Weber will sich mit den Stimmen der Ungarn auf den Sessel des EU-Kommissionspräsidenten hieven lassen. Orban weiß das und schmeichelt Weber. Zu Hause lässt er seine Medien weiter geschmacklos auf Jean-Claude Juncker & Co. hauen. Alles nicht neu: Kern des Puszta-Populismus ist der permanente Wahlkampfmodus - mit immer neuen Feindbildern. Perfekter Sündenbock ist der jüdische Multimilliardär George Soros, der angeblich in Brüssel die Strippen für immer mehr Migration nach Europa zieht, wie die Propaganda den Ungarn seit fast vier Jahren einhämmert.

Orban als ausgestreckter Mittelfinger gegen Merkel

Die Bayern wissen das alles, aber sie nutzen Orban gern gleichsam als ausgestreckten Mittelfinger gegen Angela Merkel. Und dann gibt es da noch deutsche Wirtschaftsinteressen. Deutsche Autobauer lieben die ungarische Werkbank: Mercedes, Audi, BMW - sie alle haben bereits Milliarden in Orbans Reich investiert und tun das weiter - niedrige Steuern, gute Facharbeiter und schwache Gewerkschaften locken. Zufällig ist die Audi-Zentrale in Seehofers Wahlkreis. Orban kann seine Steuerkassen füllen und sich als erfolgreicher Wirtschaftskapitän feiern lassen. Eine Win-Win-Situation.

Stephan Ozsváth war mehrere Jahre ARD-Korrespondent für SüdosteuropaBild: BR/Julia Müller

Kritik an Orban verpuffte bislang im Appeasement-Nebel der EVP. "Wir regeln das intern, da können wir besser auf ihn einwirken" - das war jahrelang das EVP-Mantra. Mit dem Finger zeigten die Konservativen gerne auf die politische Konkurrenz: Ihr Sozialdemokraten habt ebenfalls zwielichtige Figuren wie die Rumänen Ponta oder Dragnea im Haus - Whataboutism vom Feinsten. EVP-Chef Joseph Daul und Manfred Weber machten sogar noch aktiv Wahlkampf für Orban, als der schon gegen die private Central European University und die Zivilgesellschaft vorging. Da hingen auch schon die "Stop Brüssel"-Plakate - finanziert mit unserem Geld! Dreist plündern Orbans Oligarchen europäische Kassen, sein Schwiegersohn kann sich die Taschen voll machen - folgenlos, trotz dicker Akte der europäischen Anti-Betrugsagentur OLAF. Die Ermittlungen in Ungarn sind eingestellt.

Orbans EVP-Kollegin Ingeborg Gräßle will das Plündern erschweren, sie wacht im Europaparlament über das Geld europäischer Steuerzahler. Gräßle ist ein Fan der europäischen Staatsanwaltschaft: Die könnte nämlich grenzüberschreitend tätig werden. Ungarns Regierung ist dagegen. Ideologisch rechtsaußen, zunehmend autokratisch hat Orban ein "illiberales", korruptes System installiert, sagt der Luxemburger EVP-Mann Frank Engel. Was hat Orban in der Parteiengruppe noch zu suchen, fragt er. Beide haben recht, und beide waren Rufer in der Wüste. Dabei trug die EVP unverdrossen die Monstranz "Europäische Werte" vor sich her. Die EVP-Führungsriege hat sich zum Komplizen Orbans gemacht. Sie sind seine "nützlichen Idioten".

Eine neue Führung für die EVP

Die Briefe von einem Dutzend EVP-Mitgliedsparteien an ihren Präsidenten Daul sind eine doppelte Botschaft: Sie haben die Nase voll von Orban. Aber sie sind auch ein Misstrauensvotum an Daul und Weber, die lange ihre schützende Hand über den Puszta-Populisten gehalten haben. Erst sie haben Orban so groß werden lassen, dass er eine ernste Gefahr für Europa werden konnte. In der EVP ist Orbans Zeit abgelaufen. Mit ihm sollten dann aber auch Daul und Weber gehen. Nur so kann die EVP wieder glaubwürdig werden. Es wäre ein Dienst an Europa.

Stephan Ozsváth, Jahrgang 1965, war Südosteuropa-Korrespondent der ARD. 2017 veröffentlichte er das Buch "Puszta-Populismus. Viktor Orban - ein europäischer Störfall?". Er lebt und arbeitet in Wien und Berlin.

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