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Politik

Originelle Antidemokratie in Rumänien

Porträt Peter Janku
Peter Janku
1. Februar 2017

Die Umstände, wie die Strafen für Amtsmissbrauch in Rumänien gelockert wurden, machen deutlich: Die Regierung weiß genau, dass sie Unrecht zu Recht gemacht hat. Das Land braucht jetzt die Hilfe der EU, meint Peter Janku.

Noch in der Nacht gingen Tausende in Bukarest auf die StraßeBild: picture alliance/AP Photo/V. Ghirda/

Sie kamen zusammen wie die sprichwörtlichen Diebe in der Nacht: Ohne auch nur die Kabinettskollegen tagsüber von seinen Absichten zu benachrichtigen, setzte Dienstag Abend der Justizminister Florin Iordache die umstrittenen Eilverordnungen auf die Tagesordnung einer zu ungewöhnlich später Stunde anberaumten Kabinettssitzung.

Dann peitschte er sie unerbittlich durch, um, wie Regierungsanhänger unermüdlich betonen, die aus allen Nähten platzenden "Gefängnisse zu entlasten". Noch in der Nacht wurden die neuen Dekrete im Amtsblatt veröffentlicht, um ihnen unmittelbare Rechtskraft zu verschaffen. 

Angeblich überfüllte Gefängnisse

Dass Experten nach eingehender Überprüfung mehrfach betont hatten, dass rumänische Gefängnisse keineswegs überfüllt seien, jedenfalls weniger als vergleichbare italienische oder holländische Haftanstalten, ließ die Regierung nicht gelten. Iordache blieb in einer schnell organisierten Pressekonferenz gegenüber allen sachlichen Einwänden unnachgiebig. Er hob lediglich immer wieder hervor, dass nur die Regierung und das Parlament "das Recht hätten, Gesetze und Verordnungen zu erlassen".

Peter Janku ist Redakteur in der Rumänischen RedaktionBild: DW/M.Müller

Was wirklich durch die Verordnungen bezweckt werden soll, lassen sowohl die Eile, als auch freche Missachtung jeglicher demokratischer und zivilgesellschaftlicher Regeln und Bräuche erahnen: Es ging darum, dem bereits wegen Wahlbetrugs rechtskräftig verurteilten und mit weiteren Anschuldigungen konfrontierten Parteichef der Sozialdemokraten, Liviu Dragnea, sowie Dutzenden weiterer, wegen Korruption und Amtsmissbrauchs angeklagter oder schon verurteilten Parteigenossen, per Erlass eine weiße Weste zu verschaffen und das Durchregieren zu ermöglichen. 

Dies alles trotz früherer Massenkundgebungen, trotz scharfer Ablehnung der Verordnungen seitens der Opposition und der Zivilgesellschaft, trotz der Bitte des Präsidenten um Aussetzung, trotz fehlender Zustimmung der alarmierten Judikative und der Chefin der von Politikern aller Couleur gefürchteten Antikorruptionsbehörde DNA.

Ein empörter Staatspräsident

Staatspräsident Klaus Johannis, der schon einmal durchgesetzt hatte, dass die Verordnungen von der Tagesordnung der Regierung abgesetzt worden waren, reagierte betroffen. Der mehrfach von Spitzenpolitikern der populistischen PSD und ihren liberalen Verbündeten mit Amtsenthebung bedrohte Staatschef beklagte die von spontanen Protestdemonstrationen gefolgte Nacht- und Nebelaktion. Johannis sprach von einem "Trauertag" und kündigte an, "bis zu seinem letzten Amtstag" für die Wiederherstellung des Rechtsstaates in Rumänien kämpfen zu wollen. Scharfe Kritik kam von allen relevanten Seiten, einschließlich - bemerkenswerterweise - der Gewerkschaften, die der linksnationalistischen Regierung traditionell nahe stehen. 

Bloß aus den Zentralen der mit Trump und den Rechtspopulisten in Mittelosteuropa beschäftigten Europäer hörte man zunächst so gut wie nichts. Am Morgen meldete sich lediglich die grüne Europarlamentarierin Rebecca Harms per Twitter zu Wort und schärfte Kommissionspräsident Juncker und EU-Ratspräsident Tusk ein, dass die Rumänen und ihr Rechtsstaat Hilfe brauchten. Gegen Mittag ließen dann Jean-Claude Juncker und die deutsche Botschaft in Bukarest ihre äußerste Besorgnis mitteilen. Doch angesichts der Effizienz von demokratiefeindlichen, ultranationalistischen Propagandasendern ist der Erfolg solcher Interventionen keineswegs garantiert. 

Rumänien nicht alleine lassen

Ist Rechtsstaatlichkeit in Rumänien nun existenziell bedroht? War hier doch schon Anfang der 1990er-Jahre ein von Postkommunisten "originelle Demokratie" genanntes autoritäres System eingeführt worden. Und  auch andernorts, von Ankara bis Budapest, von Warschau bis Washington greift der ausufernde Populismus einst unumstrittene Prinzipien an. Oder ist der rumänische Rechtsstaat womöglich schon tot? Auszuschließen ist weder das eine, noch das andere. Wiederbelebungsmaßnahmen sind dringend geboten. Europa darf Rumänien jetzt keineswegs alleine lassen. Hinschauen und wirkungsvoll  Handeln ist der einzige vernünftige Weg. 

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