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Persilschein für Draghi

Rolf Wenkel14. Januar 2015

Die Richter der Europäischen Union werden vermutlich die Finanzierung maroder Euro-Staaten durch die Notenpresse absegnen. Das ist inkonsequent und feige, ärgert sich Wirtschaftsredakteur Rolf Wenkel.

EZB - Präsident Mario Draghi
Bild: picture-alliance/dpa

Das war zu erwarten und auch zu befürchten: Die Europäische Zentralbank darf nach Ansicht des Gutachters am Europäischen Gerichtshof grundsätzlich Staatsanleihen kaufen. Ein entsprechendes Programm der Notenbank ist rechtmäßig, findet Generalanwalt Pedro Cruz Villalón, und man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass sich die Richter am Europäischen Gerichtshof in ihrem Urteil, das im Herbst erwartet wird, an das Gutachten des Generalanwalts anlehnen werden.

Ich muss zugeben: Ich habe noch nie eine gute Meinung von Juristen gehabt - und dieses Plädoyer bestätigt leider mein Vorurteil. Ich halte es für unentschlossen, inkonsequent, mutlos, um nicht zu sagen feige. Schon den deutschen Verfassungsrichtern war die Sache viel zu heikel, um ein klares Urteil zu fällen, sie waren vermutlich froh, diesen Fall an den EuGH in Luxemburg abgeben zu können.

Rolf Wenkel, WirtschaftsredaktionBild: DW

Und dort laufen offenbar Juristen herum, die keinen Deut mutiger sind als ihre Kollegen in Karlsruhe. Keiner von ihnen traut sich, offen auszusprechen, dass die Europäische Zentralbank natürlich mit ihrem geplanten Anleihekaufprogramm genau das tun wird, was ihr nach geschriebenem Recht ausdrücklich verboten ist, nämlich Staaten zu finanzieren.

Damit dieser Rechtsbruch, der nun vermutlich im Herbst höchstrichterlich abgesegnet wird, nicht so offensichtlich wird, werden der EZB einige vage, windelweiche Auflagen gemacht: Voraussetzung sei, dass die EZB solche Käufe gut begründe und diese verhältnismäßig seien, heißt es im Plädoyer des Generalanwalts. Anders gewendet: Ein Verstoß gegen geltendes europäische Recht bleibt folgenlos, wenn er "gut begründet" und "verhältnismäßig" ist.

Diese Auflagen sind so windelweich, dass sie einem Freifahrschein gleichkommen: EZB-Präsident Mario Draghi darf nicht nur mit der Notenpresse marode Staaten finanzieren, sondern er darf sogar die Regeln und Modalitäten für sein OMT-Programm weitgehend selbst gestalten, Hauptsache, die EZB hält sich aus den für einen Staat geltenden Reformprogrammen heraus.

Genau das kann sie aber nicht, denn sie ist in Ländern wie Griechenland Teil der Troika mit IWF und EU-Kommission, die diese Reformauflagen mit gestaltet hat und natürlich auch überwacht. Zudem, und das wiegt noch viel schwerer, nimmt sie in anderen Staaten, zum Beispiel Frankreich oder Italien, mit ihrer expansiven Geldpolitik jeden Druck aus dem Kessel, der Politiker zu harten und unpopulären Strukturreformen zwingen könnte.

Mario Draghi weiß das. Und wenn ihm ein Vorwurf nicht gemacht werden kann, dann ist es der, dass er nicht genug durch Europa gereist wäre, um bei den Politikern dringende Strukturreformen anzumahnen. Nur bleibt es leider bei den schönen Worten, denn die EZB ist gleichzeitig dabei, den prekären Mitgliedern der Eurozone Zeit zu kaufen und den Reformdruck abzumildern. Und die Richter in Luxemburg bestärken sie darin. Schade.