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Politik

Polen wird verlieren

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
31. August 2017

Weder die EU noch Polen wollen im Streit um Rechtsstaatlichkeit nachgeben. Dabei ist Polen der größte Empfänger von EU-Milliarden. Am Ende sitzt die EU am längeren Hebel, meint Bernd Riegert.

Treibende Kraft hinter Polens Zank mit der EU-Kommission: PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski Bild: imago/Eastnews

Polen gerät mehr und mehr in die Isolation in Europa. Die Europäische Kommission, die "Venedig-Kommission" des Europarates, die Vereinten Nationen und fast alle Rechtsexperten bescheinigen der national-konservativen Regierung in Warschau, dass sie mit ihrer umstrittenen Justizreform auf dem Holzweg ist. Die "Venedig-Kommission" des Europarates, ein international anerkanntes Gelehrtengremium, hatte die polnische Regierung selbst angerufen. Die Stellungnahme fiel für Polen vernichtend aus. Daraufhin entschloss sich die Regierung, das Gutachten einfach zu ignorieren. Kopf in den Sand stecken. Einer gegen fast alle. Kann man so in Europa heutzutage noch Politik machen? Nein.

Premierministerin Beata Szydlo, der PiS-Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczyinski und die Parlamentsmehrheit manövrieren sich in eine Sackgasse und setzen die EU-Kommission und die übrigen Institutionen, denen die Polen freiwillig angehören, unter Zugzwang. Der für Rechtsstaatlichkeit zuständige EU-Kommissar, Frans Timmermans, fleht die Warschauer Regierung fast schon an, in einen echten Dialog einzutreten. Bislang verweigern die Minister aber jeden Kontakt. Kann man so in Europa heutzutage noch Politik machen? Nein.

Europakorrespondent Bernd Riegert

Der EU-Kommission bleibt, um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, nicht mehr viel übrig, als mit allen Folterinstrumenten, also auch der politischen Atombombe, der Suspendierung Polens, zu drohen. Doch dieses Verfahren nach Artikel 7 ist extrem schwierig. Es wurde noch nie angewendet. Die Regierung Polens bleibt, um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, stur und verweigert jede Zusammenarbeit. Dieser Stillstand, diese Unbeweglichkeit muss aufgebrochen werden. Wie?

Das geht im Falle der heutigen polnischen Regierung wahrscheinlich nur über das Geld. Die für Warschau sprudelnden Brüsseler Finanzquellen müssen ausgetrocknet werden, um Einsicht zu erzwingen. So ist auch der Hinweis von EU-Kommissar Timmermans zu verstehen, dass es einen Binnenmarkt, also das Kernstück der ökonomischen Integration, nur geben kann, wenn Rechtsstaatlichkeit sichergestellt ist. Die polnische Regierung hat sich auf Blockade verlegt und bestreitet, dass die EU-Kommission überhaupt zuständig ist, ja das Europa sich darum kümmern darf. Doch hier irrt sie gewaltig. Polen hat den Artikel 2 der Lissabonner Verträge freiwillig unterschrieben, der Rechtsstaatlichkeit zur zwingenden Bedingung für eine Mitgliedschaft in der EU macht. Natürlich verzichtet jedes EU-Mitglied auf Teile seiner Souveränität mit dem Beitritt zur Gemeinschaft. Anders ließe sich so ein politischer Klub auch nicht führen und organisieren. Blockieren und Ignorieren werden hier auf Dauer nicht weiter helfen. Kann man so heutzutage in der EU noch Politik machen? Nein.

Der Streit um die Justizreform und die Rechtsstaatlichkeit ist für beide Seiten eine überflüssige Belastung, ein unnötiges Tauziehen, das die ganze Union belastet. Es ist höchste Zeit, den Streit beizulegen. Der Ball liegt im Warschauer Feld. Besonders deutlich wird die Isolation Polens in der EU an einer Äußerung der deutschen Bundeskanzlerin. Angela Merkel hat bislang, trotz aller Anwürfe aus Warschau gegen Deutschland im Allgemeinen und sie im Besonderen, im Streit um Rechtsstaatlichkeit Zurückhaltung geübt. Deutschland hatte in Brüssel noch auf die Bremse getreten, wenn es darum ging, Polen zu maßregeln. Jetzt sagte Merkel, man könne dazu nicht mehr schweigen. EU ohne Rechtsstaatlichkeit könne es nicht geben.

Mit anderen Worten Polen steht alleine da, bis auf Ungarn. Ungarn allerdings hat eigene Konflikte mit der EU-Kommission und ist ebenfalls ein williger Netto-Empfänger. Auch Ungarn kann man wie Polen am Geldbeutel packen. Kann man heutzutage in der EU so noch Politik machen? Ja. Nicht schön, aber es geht offenbar nicht anders, um Schlimmeres zu verhüten.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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