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Politik

Politisches Urteil mit gefährlicher Signalwirkung

9. Mai 2017

Das Urteil gegen Jakartas christlichen Gouverneur Ahok wegen Blasphemie ist ein Alarmsignal. Denn es zeigt, wie weit radikalislamische Positionen auch in Indonesiens Justiz Einzug gefunden haben, meint Thomas Latschan.

Muss jetzt ins Gefängnis: Jakartas bisheriger Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama, genannt "Ahok" Bild: Reuters/B. Ismoyo

Noch vor 15 Jahren galt Indonesien als Musterland eines weltoffenen und toleranten Islam - doch diese Zeiten neigen sich mehr und mehr dem Ende zu. Radikale Kräfte, die das eigentlich pluralistisch verfasste Indonesien in einen islamischen Staat umformen wollen, gewinnen an Auftrieb. Minderheiten geraten unter Druck, Andersgläubige werden diffamiert, bedroht und eingeschüchtert. Der Prozess gegen Jakartas christlichen Gouverneur Ahok und das jetzt gefällte Urteil sind nur der jüngste Beleg für diese Entwicklung. Ein Richter verurteilte Ahok zu zwei Jahren Gefängnis wegen angeblich abfälliger Bemerkungen über den Koran - und ging damit sogar über das zuletzt vom Staatsanwalt geforderte Strafmaß hinaus.

Dieses Urteil ist ein Alarmsignal. Denn es zeigt, dass auch staatlich bestellte Richter sich mehr und mehr radikalislamischen Positionen öffnen. Bis 2004 gab es insgesamt nur rund 25 Blasphemieprozesse, mittlerweile hat sich ihre Zahl verzehnfacht. Das eigentlich Gefährliche dabei ist aber, dass nicht nur radikalislamische Gruppen mehr Einfluss bekommen, sondern auch Mitglieder traditionell säkularer Parteien sich dieser Positionen bedienen, um politische Gegner mundtot zu machen.

Thomas Latschan ist Redakteur am Asien-Desk

Politisches Spiel mit dem Feuer

Was war passiert? In einer Rede hatte Ahok Koransure 5, Vers 51 zitiert: "O ihr Gläubigen! Nehmet nicht die Juden und die Christen zu euren Statthaltern." Und hinzugefügt: "Wer sich von dummen Rassisten, die sich auf diesen Vers beziehen, davon abgehalten fühlt, mich zu wählen, der soll es eben lassen." Auszüge der Rede wurden zudem verkürzt und mit missverständlichen Untertiteln auf Twitter verbreitet. Was folgte, war ein Aufschrei der Empörung unter islamischen Hardlinern im Land. Allen voran protestierte die FPI, die radikalislamische "Front zur Verteidigung des Islam". Die Bewegung tritt extrem lautstark und gewaltbereit auf, ist aber zahlenmäßig eher klein. Dass sie gegen so eine Aussage protestieren würde, damit war zu rechnen. Doch auch die politischen Gegner Ahoks im Wahlkampf nahmen die Steilvorlage dankend an und ritten auf einmal die islamistische Welle. Plötzlich mobilisierte die FPI hunderttausende Demonstranten, die aus dem ganzen Land mit Bussen nach Jakarta gekarrt wurden, mutmaßlich finanziert von Ahoks Gegenkandidat Agus Yudhoyono. Auch Ex-Bildungsminister Baswedan distanzierte sich scharf und trat im Wahlkampf nur noch mit Peci auf, der traditionellen muslimischen Kopfbedeckung in Indonesien. Öffentlichkeitswirksam betete er sogar gemeinsam mit hohen Vertretern der FPI - mit Erfolg: Die Stichwahl gegen Ahok entschied er deutlich für sich.

Etappensieg auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl

Mit der Abwahl Ahoks und seiner jetzigen Verurteilung haben seine Gegner einen großen Etappensieg errungen. Doch ihr eigentliches Ziel ist der enge Vertraute Ahoks, Präsident Jokowi, der sich 2019 zur Wiederwahl stellen muss. Um ihn aus dem Amt zu jagen, nehmen seine politischen Gegner auch die Instrumentalisierung radikaler Kräfte in Kauf.

Doch der Geist eines radikalen Islam lässt sich nicht mehr zurück in die Flasche drängen, wenn er tagespolitisch nicht mehr gebraucht wird. Und so droht die Präsidentschaftswahl 2019 zu einer Richtungsentscheidung über die zukünftige Verfasstheit Indonesiens zu werden. Eine weitere Radikalisierung im bevölkerungsreichsten muslimischen Land hätte eine verheerende Signalwirkung für die gesamte islamische Welt.

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Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
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