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Politik

Pressefreiheit à la Bolsonaro

30. Oktober 2018

Die Pressefreiheit sei ihm "heilig", sagt der künftige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro. Doch seine Ankündigungen überzeugen nicht, meint Astrid Prange de Oliveira.

Bild: Getty Images/AFP/C. de Souza

"Schluss mit Fake News und Lügen. Wir befinden uns in einer neuen Epoche, ich will für alle regieren." - Brasiliens künftiger Präsident Jair Bolsonaro hat sich in seinen ersten Interviews nach dem Wahlsieg eindeutig für Presse- und Meinungsfreiheit ausgesprochen. Soweit die gute Nachricht. Doch sind damit ein für alle mal die Befürchtungen ausgeräumt, dass Brasilien, die viertgrößte Demokratie weltweit, sich nach der Wahl schrittweise vom demokratischen Rechtsstaat verabschieden könnte?

Bolsonaro hat Recht: Brasilien befindet sich in einer neuen Epoche. Eine Epoche, in der auch das Verhältnis zwischen Macht und Medien neu definiert wird. Denn bisher wurden Wahlkämpfe im größten Land Südamerikas im Fernsehen entschieden. Die Parteien mit der längsten Wahlwerbung und die Kandidaten mit der besten Performance bei TV-Duellen schnitten bei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am stärksten ab.

Doch dieses Mal war alles anders. In den drei Wochen vor der Stichwahl gegen nahm Bolsonaro an keinem einzigen TV-Duell teil. Seine Präsenz im Fernsehen beschränkte sich auf Exklusiv-Interviews mit dem brasilianischen Fernsehsender TV Rekord. Der Sender gehört dem Gründer der evangelikalen Denomination "Universalkirche des Königreich Gottes" (Igreja Universal do Reino de Deus), Edir Macedo. Zu seinen Zuschauern gehören viele Wähler Bolsonaros. 

Globo, nein danke

Die ausführlichen Interviews bei TV Rekord waren nicht nur ein Signal an Bolsonaros Anhänger. Sie waren auch ein Affront gegenüber dem der übermächtigen Konkurrenz des Marktführers TV Globo. Damit nicht genug: Auch zu den Printmedien pflegte und pflegt Bolsonaro bisher ein eher wenig freundschaftliches Verhältnis. Die Wahlkampfberichterstattung der Printmedien bezeichnete er häufig als Fake News und verlegte seine Kampagne in die digitalen Netzwerke Facebook, Twitter und WhatsApp.

DW-Redakteurin Astrid Prange de OliveiraBild: DW/P. Böll

Insbesondere in geschlossenen WhatsApp-Gruppen fielen Fake News in besonders großem Umfang aus den digitalen Wolken: Millionen User erfuhren dort zum Beispiel, dass die elektronischen Wahlurnen in Brasilien angeblich anfällig für Fälschungen seien und der Herausforderer Fernando Haddad von der Arbeiterpartei PT sogar sechsjährige Grundschulkinder zur Homosexualität erziehen wollte. Auch wenn der Oberste brasilianische Wahlgerichtshof TSE die Verbreitung dieser Falschmeldungen ausdrücklich verbot: die Anschuldigung war aus dem digitalen Orbit nicht mehr wegzudenken.

Und aus den Köpfen Millionen brasilianischer Wähler ebenfalls nicht. Bolsonaros selbst scheint diesem Orbit ebenfalls nicht entronnen zu sein. Denn im selben Atemzug, in dem er nach seinem Wahlsieg die Meinungsfreiheit als "heilig" und die Opposition als "willkommen" bezeichnete, prophezeite er der größten brasilianischen Tageszeitung "Folha de São Paulo" (FSP), sie werde von "selbst aufhören zu existieren".

Kritiker gehen künftig leer aus

In der Sprache des künftigen Präsidenten sind diese Drohungen in verbale Watte verpackt: "Ich will nicht, dass die 'Folha de São Paulo' eingeht, aber wenn es nach mir geht, wird eine Presse, die sich so benimmt, kein Geld mehr von der brasilianischen Regierung bekommen", sagte Bolsonaro im Interview mit TV Globo.

Also keine Anzeigen mehr der neuen brasilianischen Regierung in Medien mit kritischer Berichterstattung. Im selben Interview bezichtigte Bolsonaro die Tageszeitung FSP erneut, falsche Informationen über seine Wahlkampagne veröffentlicht zu haben. Dem Fernsehsender TV Rekord des evangelikalen Bischofs Edir Macedo hingegen bescheinigte er eine unparteiische Berichterstattung.

So verstandene Pressefreiheit à la Bolsonaro zeigt, dass die gesellschaftliche Polarisierung nach dem Wahlsieg weitergeht, genauso wie die Einschüchterung unliebsamer Medien. Die erste Kraftprobe hat Bolsonaro gewonnen. Die zweite hat gerade erst begonnen. Wie auch der Kampf um die Verteidigung des demokratischen Rechtsstaates.

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