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Politik

Putin baut digitale Diktatur aus

4. Dezember 2019

Ein perfides neues Mediengesetz schränkt die Informationsfreiheit in Russland weiter ein. Die letzten kritischen Stimmen sollen durch Angst und Selbstzensur zum Schweigen gebracht werden, meint Ingo Mannteufel.

Bild: Yulia Vishnevetskaya

Mit dem von Präsident Wladimir Putin unterzeichneten neuen Mediengesetz kann das russische Justizministerium einzelne Journalisten und Blogger, aber letztendlich auch jeden russischen Social Media-Nutzer zu einem "ausländischen Agenten" erklären. Es genügt schon, wenn ein Journalist für seine Arbeit ein Honorar oder sonstige Unterstützung aus dem Ausland erhält, oder User in ihren Accounts im Ausland produzierte Inhalte teilen. Die so erstellten oder verbreiteten Inhalte sind mit dem als Schmähung gedachten Label vom "ausländischen Agenten" zu versehen.

Hinzu kommt ein weiterer Wust an administrativen Vorschriften und Gängelungen. Bei Fehlverhalten werden empfindliche Strafen angedroht. Kritischer Journalismus und die Verbreitung davon sollen erschwert und diskreditiert werden. Vor allem aber wird mit dem Gummi-Paragraphen über "ausländischen Agenten" ein Klima der Angst und Selbstzensur gefördert.

Kreml antwortet nur noch mit Repression

Das neue Gesetz reiht sich ein in eine lange Liste repressiver Verschärfungen im digitalen Informationsraum. Erst kürzlich ist ein Gesetz zum russischen Internet erlassen worden, welches ermöglichen soll, das russische Netz vom globalen Internet abzukoppeln oder dieses zu filtern. Das Ziel ist offenkundig, einen isolierten digitalen Informationsraum zu schaffen - ähnlich wie in China oder dem Iran.

Da dieses Vorhaben viel Zeit und noch mehr Geld benötigen wird, setzt der Kreml nun beim schwächsten Glied in der Informationskette an - beim Individuum, welches im russischen Rechtssystem so gut wie keine Chance auf ein rechtsstaatliches und faires Verfahren hat. Die absurden und fürchterlichen "Moskauer Prozesse" gegen die im Sommer bei Demonstrationen Verhafteten sprechen Bände über die Grausamkeit des russischen Systems.

Russische Journalisten im Visier

Viele exzellente russische Journalisten und Journalistinnen sind inzwischen aufgrund der repressiven Situation in den vom Kreml kontrollierten Redaktionen zu russischen Exilmedien oder zu den großen russischsprachigen westlichen Medien wie der Deutschen Welle, Radio Liberty, Voice of America oder der BBC ausgewichen. Nur noch in diesen Exilangeboten und westlichen Medien lebt der freie, kritische, vielfältige und kluge russische Journalismus fort.

Ingo Mannteufel leitet die Russische Redaktion

Um diesen Medien das Leben schwer zu machen, hatte das russische Parlament bereits 2017 ein Gesetz erlassen, welches den schon seit 2012 gegen Nichtregierungsorganisationen eingesetzten Tatbestand des "ausländischen Agenten" auf außerhalb Russlands beheimatete Informationsanbieter ausweitete. In Folge dieser Etikettierung müssen sie regelmäßig Berichte über ihre Finanzierung, Ziele, Ausgaben und Personal einreichen.

Das "Agenten-Label" erhielten dann aber nur neun Medienangebote, die der US-amerikanische Staat finanziert. Anderen Medien - darunter auch der Deutschen Welle - wurde immer wieder angedroht, ebenfalls mit dem Titel "ausländischer Agent" belegt zu werden, aber blieben bislang davon verschont.

Anscheinend reicht nun aus Sicht des Kremls die Drangsalierung dieser großen Medienunternehmen nicht mehr aus. Anstatt sie jedoch direkt anzugehen, richtet sich das neue Mediengesetz gegen die einzelnen russischen Journalisten und Journalistinnen, die für diese angeblichen "ausländischen Agenten-Medien" arbeiten. Und gegen die Social Media Influencer, die deren Inhalte über ihre populären Profile und Messenger-Dienste verbreiten.

Putin fürchtet Nawalny und hat 2024 im Blick

Das neue Mediengesetz ist somit ein klarer Angriff auf die in der russischen Verfassung allen Bürgern zugesicherte Informationsfreiheit. Aber um die Verfassung schert sich in der Putin'schen Machtelite schon lange keiner mehr, wenn es um den nackten Machterhalt geht.

Und die im Sommer deutlich gewordene Unzufriedenheit in der Bevölkerung und die zunehmende Popularität des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny beunruhigt die russische Führung. Angesichts von Dumawahlen 2021 und der großen Frage, wie sich Präsident Putin auch nach 2024 im Amt halten kann, sollen frühzeitig die letzten Räume für kritischen Journalismus in russischer Sprache geschlossen werden.

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