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Radikalkur mit ungewissem Ausgang

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Henrik Böhme
19. Oktober 2015

Der neue Mann an der Spitze macht ernst: Mit einem radikalen Umbau will John Cryan die Deutsche Bank wieder in die Erfolgsspur bringen. Der Kurs ist mutig, aber nicht frei von Risiken, meint Henrik Böhme.

Bild: REUTERS

John Cryan wollte nicht länger warten. Eigentlich war für Ende Oktober eine Pressekonferenz angekündigt worden, auf der der 54-jährige Brite seine Umbaupläne für Deutschlands Geldhaus Nummer Eins vorstellen wollte. Nun aber sind die wichtigsten Entscheidungen schon bekannt, nach einer nicht mal zweistündigen Sitzung vom Aufsichtsrat am Sonntag (18.10.2015) durchgewunken. Das Personal-Karussell dreht sich in einem solch atemberaubenden Tempo, dass einige von der Fliehkraft aus ihren Sesseln geschleudert wurden. Ganze zwei der insgesamt vierseitigen Presse-Information sind mit Namen und Verantwortlichkeiten gefüllt. Namen von denen, die kommen. Und von denen, die gehen (müssen). Vor allem jene Top-Manager, die in irgendeiner Form in die Skandale der Vergangenheit verwickelt waren.

100 Tage harte Arbeit

Cryan, der seit dem 1. Juli im Amt ist, hat sich also offenbar mit großem Fleiß an die Arbeit gemacht. Oder besser: ans Aufräumen. Er hat erkannt, dass er, der keine Hausmacht in den Zwillingstürmen im Frankfurter Bankenviertel hat, neue Köpfe brauchen wird, um seine Ziele durchzusetzen. Sein Vorgänger Anshu Jain hatte noch gemeinsam mit Co-Chef Jürgen Fitschen geglaubt, dass man schon irgendwie durchkommen werde durch die harten Zeiten mit Prozessen und Milliardenstrafen ohne Ende, mit kraftraubenden Auseinandersetzungen mit den Aufsichtsbehörden. Das hat Jain am Ende den Job gekostet, denn zu unzufrieden waren die Aktionäre. Auf der Hauptversammlung im Mai war das mehr als deutlich zu spüren.

Kurz danach, Anfang Juni, warf Jain das Handtuch. Fitschen durfte noch bleiben, doch der neue starke Mann wurde John Cryan. "Ab jetzt zählen keine Worte mehr, nur noch Taten", war das einzige, was von ihm zu vernehmen war. Dann ließ in den ersten 100 Tagen praktisch nichts mehr von sich hören, kein Auftritt in der Öffentlichkeit, nichts. Dafür jetzt zwei Paukenschläge innerhalb von nicht einmal zwei Wochen: Erst die Ankündigung eines Rekordverlustes von 6,2 Milliarden Euro im dritten Quartal, jetzt die konkreten Pläne für den Umbau des Geldhauses. Und die haben es durchaus in sich.

DW-Wirtschaftsredakteur Henrik BöhmeBild: DW

Keine Erfolgsgarantie

Das neue Spitzenpersonal, das Cryan um sich schart, soll das Wirken alter Seilschaften zumindest erschweren. Wichtiger aber noch als alle personellen Entscheidungen ist die strukturelle Neuordnung der Bank. Da sticht vor allem die Neuaufstellung des Investmentbankings heraus: Der Bereich, der unter der Leitung von Anshu Jain zwar die Gewinnmaschine der Deutschen Bank war, dem Institut aber eben auch den größten Ärger mit all seinen Tricksereien beschert hat.

Das Tempo, dass Cryan anschlägt, ist in der Tat atemberaubend. Die große Kunst besteht nun darin, bei all dem riesigen Umbau, der notwendig ist, die Belegschaft mitzunehmen und nicht zu viel Porzellan zu zerschlagen. Dabei ist auch klar: Das Personalkarussell hat gerade erst angefangen, sich zu drehen. Was auf der Ebene des Top-Managements begann, dürfte sich demnächst auch ein paar Treppen tiefer abspielen. Tausende Stellen stehen auf dem Spiel.

Wie also will John Cryan da die Motivation der Truppe hochhalten, die ganzen geplanten Änderungen auch mit zu gehen? Antworten hatte man sich von einer Pressekonferenz am 29. Oktober erhofft. Doch wie es derzeit aussieht, lässt John Cryan diese Gelegenheit wohl verstreichen, seine Pläne der Öffentlichkeit zu erläutern. Stattdessen könnte es wieder nur eine schriftliche Mitteilung geben. So oder so kann man davon ausgehen, dass auch dann wieder ein Paukenschlag zu vernehmen sein wird. Doch bei allem Elan, den der neue Chef der Deutschen Bank an den Tag legt: Bislang sind das alles nur Ankündigungen. Noch applaudieren die Aktionäre. Aber sie wollen auch bald Erfolge sehen. Diese Garantie kann ihnen John Cryan nicht geben.

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