Kommentar: Rational, aber nicht emotional
4. Juli 2015Die Quote ist top. Den Halbfinaleinzug der deutschen Frauen bei der Fußball-WM gegen Frankreich haben sich 7,5 Millionen Zuschauer im deutschen Fernsehen angeschaut - obwohl Anstoßzeit erst um 22 Uhr war. Damit haben die Damen die Jungs geschlagen. Das Viertelfinale der deutschen männlichen U21-EM gegen Dänemark am selben Tag - und das zur Topzeit - sahen dagegen "nur" 4,91 Millionen.
Im Vergleich zur Männer-WM ein Jahr zuvor wirkt die Frauenquote jedoch mickrig. Das Viertelfinale Frankreich - Deutschland verfolgten 26,25 Millionen. Gut, Einschaltquoten sind nicht alles, auch wenn der deutsche Frauenfußball lange dafür gekämpft hat, überhaupt live im Fernsehen stattzufinden. Aber es zeigt: Die sportinteressierten Menschen in Deutschland nehmen das Ereignis Frauenfußball-WM wahr und verfolgen es - wenn es in den Zeitplan passt.
Wo bleibt die joggende Bundestrainerin in der Tagesschau?
Eine deutsche Fahne habe ich während der ganzen WM hier in Deutschland allerdings nicht zu Gesicht bekommen. Keine einzige. Auch von Public Viewing ist mir nichts bekannt. Mit Freunden wird nicht über die Szene in der soundsovielten Minute gesprochen und Tippspiele gibt es auch nicht. Auch kenne ich niemanden, der sich extra Urlaub nimmt, um in Ruhe die Spiele im Fernsehen anzuschauen. Und die joggende Bundestrainerin am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms bringt die Tageschau auch nicht als Top-Nachricht. Was sagt uns das?
Emotional packt uns der Frauenfußball hierzulande noch nicht. Wir freuen uns, wenn die Damen eine Runde weiter kommen und nationale Rivalen aus dem Männerfußball wie Frankreich oder England aus dem Turnier kicken. Wir erkennen ohne Probleme an, dass die Fußballerinnen taktisch mit den Männern mittlerweile mithalten können. Und auch die ein oder andere Grätsche, coole Jubelpose oder auch ein wunderschön herausgespieltes Tor entlockt uns ein "Respekt" oder Beifall.
Fehlende Identifikation
Mehr aber eben auch nicht. Das Spiel der Frauen ist einfach nicht so schnell, so dynamisch, so athletisch wie das der Männer - und daher nicht so attraktiv anzuschauen. Wir können uns nicht mit wildfremden Leuten über das Tor bei der WM vor 24 Jahren unterhalten - weil der Frauenfußball einfach noch keine lange Geschichte hat. Und er hat einfach nicht annähernd so viele bekannte Gesichter oder Namen, mit denen wir uns identifizieren können - von weltweit bekannten Stars (vielleicht von Marta abgesehen) gar nicht zu sprechen.
Wie auch, denn die Frauenfußball-Bundesliga hat trotz der Heim-WM 2011, was die Zuschauerzahlen, die Verdienstmöglichkeiten der Spielerinnen oder die TV-Berichterstattung betrifft, leider keine große Entwicklung gemacht. Und auch wenn die großen Vereine im Männerfußball wie der FC Bayern München oder der VFL Wolfsburg nun Geld in den Frauenfußball stecken: Diese Sportart wird in der weiblichen Disziplin in Deutschland wohl nie annähernd den Stellenwert erreichen, den der Männerfußball hat.
Titel alleine bringen in Fußballdeutschland keine Anhängerschaft. Es geht um Leidenschaft, Identifikation und um Tradition. Das fehlt eben (noch). Und das kann auch nicht per Dekret verordnet werden, nur weil es politisch korrekt wäre.