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Politik

Kommentar: Reform oder Tod

Barbara Wesel
31. August 2017

Die französische Regierung hat ihre Arbeitsmarktreform vorgelegt. Mit ihr steht und fällt die Zukunft von Präsident Macron. Hält er Proteste und Widerstand nicht durch, kann er einpacken, meint Barbara Wesel.

Emmanuel Macron Präsident Frankreich
Bild: Reuters/S. Nenov

Präsident Emmanuel Macron hatte keinen besonders guten Sommer. Die Erhebung seiner Frau zur "Premier Dame" schlug fehl und brachte ihm schlechte Presse, ebenso wie die Kosten für die Visagistin, die ihm vor TV-Auftritten das Make-up aufs Gesicht streicht. Seine Beliebtheitswerte waren zum Ferienende im Keller. Eigentlich sind das Petitessen. Sie zeigen aber, mit welcher Gereiztheit die Franzosen ihren jungen Präsidenten beobachten. Die Arbeitsmarktreform aber wird zeigen, ob er regierungsfähig ist, und sie wird über sein politisches Überleben entscheiden.

Macron hat ein Fenster für Reformen

Macrons Vorgänger Nicolas Sarkozy und vor allem François Hollande sind an dem Versuch, die verkrusteten Arbeitsmarktgesetze zu reformieren, dröhnend gescheitert. Der Konservative hielt dem Druck der Straße nicht stand; der Sozialist verwässerte die Reformen so lange, bis er in keinem Lager mehr Unterstützung fand.

Hollandes Sozialisten gingen bei der Wahl verdientermaßen unter. Und weil auch im rechten Lager Streit herrscht und die Republikaner wie der rechtsextreme Front National in Flügelkämpfe verstrickt sind, hat Macron eigentlich vorübergehend politisch freie Bahn. Denn seine eigenen Abgeordneten sind zwar fehler- und skandalanfällig, gewährleisten aber eine große und stabile Parlamentsmehrheit für den Präsidenten.

Die Gewerkschaften kämpfen ums eigene Überleben

Außerdem lässt die Macht der Gewerkschaften nach. Zwar hat auch die gemäßigte CFDT pflichtgemäß trotz monatelangen Dialogs mit der Regierung ihre Ablehnung der Reform bekundet, will aber nicht dagegen auf die Straße gehen. Die Hardliner von der CGT dagegen trommeln schon und wollen Mitte September die Franzosen einmal mehr auf die Barrikaden treiben.

Barbara Wesel, DW-Korrespondentin in Brüssel

Allerdings geht es ihnen dabei wohl weniger um den Schutz der Arbeitnehmerrechte, wie er auf ihren Fahnen steht, sondern um die eigene Zukunft. Die hart linke CGT verliert an Mitgliedern und Einfluss. Überhaupt sind nur rund 11% der Franzosen gewerkschaftlich organisiert. Hier ist das Geschrei lauter als durch die Zahlen tatsächlich vertretener Arbeitnehmer gedeckt. Es sollte sich also niemand durch ein Meer von roten Fahnen  und eine hohe Randalebereitschaft abschrecken lassen - die radikalen Gewerkschaften sprechen nur für eine kleine Minderheit der Franzosen.

Allerdings bekommen sie Verstärkung von den Linkssozialisten unter Jean-Luc Mélenchon. Er steht für die einzige derzeit funktionierende Opposition und errang immerhin 17% der Wählerstimmen. Sein alt-kommunistischer Furor und seine Kampfkraft sind nicht zu unterschätzen.

Aber auch wenn einmal mehr im September in Paris die Steine fliegen und der Nahverkehr zum Stillstand kommt - Emmanuel Macron muss da durch.Die Mehrheit der Franzosen wird nicht auf die Straße gehen, und viele wollen auch Reformen. Allerdings muss der Präsident wieder kommunizieren. Seine Jupiter-Attituden und die zelebrierte Abgehobenheit fallen ihm bereits auf die Füße. Er muss sich furchtlos zeigen wie im Wahlkampf und den Kontakt zu Betrieben und Arbeitnehmern suchen, auch wenn dabei gejohlt und gepfiffen wird.

Die Reformen sind furchtbar überfällig

Das französische Arbeitsrecht ist ein Monstrum. Das ganze viele hundert Seiten dicke Gesetzeswerk gehörte in die Tonne getreten. Angesichts dieses starren Korsetts ist es ein Wunder, dass es in Frankreich überhaupt noch Arbeitsplätze gibt. So ist es auch richtig, dass Macron bei seiner Reform vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen zielt. Vor allem ihnen muss er das Leben leichter machen, denn dort gibt es das größte Potential neue Jobs zu schaffen.

Es geht hier nicht um das Ende des Sozialstaats und der Arbeitnehmerrechte in Frankreich; das ist Propaganda. Es geht um die Öffnung für betriebliche Tarifverträge, mehr Spielraum für einzelne Unternehmen, eine gewisse Lockerung des beinharten Kündigungsschutzes. Bisher sind die Arbeitnehmer in Frankreich in zwei Klassen gespalten: Die Inhaber perfekt geschützter Arbeitsplätze und die Zeitverträgler, die keine Chance auf den Einstieg  ins System bekommen. Der Beweis für Dysfunktionalität des Systems ist die mit 10% seit Jahren anhaltend hohe Arbeitslosigkeit.

Macron steht und fällt mit dem Erfolg der Reform

Für den Präsidenten aber steht alles auf dem Spiel. Er muss diese erste Runde der Auseinandersetzungen gewinnen und seine Reform zu einem Erfolg machen. Sonst wird er schon nach einem halben Jahr im Amt zur "lame duck". Frankreich sei unreformierbar und die Franzosen hätten zu viel Anspruchsdenken, stöhnte Macron unlängst bei seiner Osteuropareise. Vorsicht, so etwas kann man zwar denken, aber nicht sagen - es wirkt arrogant.

Wie überhaupt die eigene Arroganz eine der größten Gefahren für den Präsidenten ist. Er muss jetzt die Ärmel aufkrempeln und sich ins Getümmel stürzen, auch wenn er glaubt, er sei zu fein für den politischen Nahkampf. Da kann der Franzose von Angela Merkel lernen: Man soll sich nie an der eigenen Macht berauschen und immer schön auf dem Teppich bleiben. Sonst könnte Emmanuel Macron schon in seiner ersten Amtszeit scheitern.

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