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Gesellschaft

Reguliert Facebook!

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
26. Dezember 2018

Wollte man das Unternehmen mit den meisten Skandalen 2018 küren, landete das soziale Netzwerk Facebook ganz weit vorne. Das schreit nach Konsequenzen, meint Martin Muno.

Bild: imago/R. Peters

Das zu Ende gehende Jahr war kein gutes für die 2,3 Milliarden Facebook-Nutzer weltweit. Im März kam der Cambridge-Analytica-Datenskandal ans Licht. Das Datenanalyse-Unternehmen hat durch die Auswertung von Facebook-Daten den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 massiv beeinflusst - offensichtlich mit dem Wissen des Facebook-Managements. Jetzt ist die Sache vor einem Washingtoner Gericht anhängig.

Im November wurde bekannt, dass eine PR-Firma im Auftrag von Facebook rufschädigende Berichte über Konkurrenten verbreitet hatte, darunter Google und Apple, aber auch der Investor George Soros.

Facebook weiß auch über Tinder-Kontakte bescheid

Im Dezember veröffentlichte das britische Parlament Auszüge aus dem internen E-Mail-Verkehr von Facebook-Führungskräften. Auf 250 Seiten ist dokumentiert, dass jahrelang sensible Nutzerdaten an externe Firmen wie Airbnb, Netflix oder Dating-Apps weitergegeben wurden - ungeachtet gegenteiliger Versicherungen des Facebook-Managements. Nach Informationen der "New York Times" konnten Netflix und Spotify private Nachrichten von Nutzern lesen und teilweise sogar löschen. Facebook gestand ein, dass entsprechende Schnittstellen verfügbar waren, obwohl sie eigentlich längst hätten gekappt sein müssen.

DW-Redakteur Martin Muno

Und wem das noch nicht reicht: Ebenfalls im Dezember wurde bekannt, dass teils intime Daten der Nutzer von Android-Handys an Facebook weitergeleitet wurden. Rund 30 Prozent der Apps nehmen danach Kontakt zu Facebook auf, sobald der Nutzer sie öffnet - betroffen sind auch Dating- oder Gesundheits-Apps. Facebook weiß also, mit wem die Nutzer flirten oder welche Krankheiten sie haben.

Die "Sorry"-Endlosschleife

"Sorry, das hätte nicht passieren dürfen." "Es tut uns leid" und "wir werden uns bessern" - so lautet die übliche Entschuldigungsfloskel. Wir haben sie 2018 von Facebook-Chef Mark Zuckerberg sowohl im US-Kongress gehört als auch im EU-Parlament. Wir haben sie auch mehrfach von Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg oder anderen Spitzenmanagern gehört. Geschehen ist aber nichts.

Doch nicht nur in Bezug auf die Datensicherheit bricht Facebook gemachte Versprechungen, auch im Hinblick auf Fake News. Im Sommer kündigte das Unternehmen an, entschiedener gegen Lügen und Hass auf seinen Seiten vorzugehen. Auch hier gab es viele Worte und kaum Taten: Wie eine Recherche des Portals Buzzfeed ergab, hatten allein die acht erfolgreichsten deutschen Falschmeldungen, die auf Facebook verbreitet wurden, "mehr Interaktionen als fast alle Artikel der größten Nachrichtenseiten in Deutschland". Dabei ging es vor allem um das Thema Flüchtlinge. Wichtigster Verbreiter solcher Lügen sind danach die AfD und die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach. Zuckerberg selbst erntete einen Shitstorm, als er im Juli ankündigte, dass er Beiträge von Holocaust-Leugnern nicht löschen will.

Klar ist Facebook nur beim Sex

Konsequent ist die Facebook lediglich im Umgang mit Inhalten, die auch nur im Ansatz sexuell konnotiert sein könnten. Nach den neuen Richtlinien sind sogar Sätze wie "Ich möchte heute Nacht noch Spaß haben" tabu - auch in privaten Chats oder geschlossenen Gruppen. Lügen und hassen ist nach dieser Logik okay, lieben eher nicht.

Fasst man das Jahr zusammen, hat Facebook massiv Daten missbraucht und forciert durch die Verbreitung von politischen Lügen den Aufschwung rechtspopulistischer Kräfte - nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern. Nicht umsonst wächst weltweit die Kritik.

Für das Unternehmen hat das aber nur geringe Auswirkungen: In den USA und Europa stagnieren zwar die Nutzungszahlen oder gehen sogar leicht zurück. Das wird aber durch Wachstum in Asien und Afrika mehr als wettgemacht. Der Umsatz stieg zuletzt auf den Rekordwert von 13,7 Milliarden US-Dollar. Und da, wo Facebook Rückgänge verzeichnen musste, macht es die durch Geschäftserfolge der Tochter Instagram wieder wett.

Account löschen? Besser regulieren!

Ein möglicher Umgang mit Facebook wäre es, den eigenen Account einfach zu löschen, wie es etwa der Internetpionier Jaron Lanier fordert. Dass daraus eine Massenbewegung wird, ist fraglich - und außerdem ist nicht alles schlecht bei Facebook. Die Idee, dass sich Nutzer auf einer Plattform weltweit austauschen können, erfüllt das Bedürfnis vieler Menschen.

Will man Datenmissbrauch und Verbreitung von Lügen und Hass-Botschaften eindämmen, muss Facebook reguliert werden - denn darauf zu vertrauen, dass das Unternehmen irgendwann doch noch seiner Verantwortung nachkommt, ist naiv. Die bisherigen Regelungen, wie etwa das Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder die Datenschutzgrundverordnung haben sich bislang jedenfalls als wirkungslos erwiesen. Wie eine Regulierung aussehen werden könnte, darüber gibt es derzeit allerdings nur vage Ideen - von der Offenlegung der Algorithmen bis zur Umwandlung von Facebook zu einer gemeinnützigen Stiftung oder dem Verzicht auf Werbefinanzierung. Wobei dann allerdings die Mitgliedschaft kostenpflichtig sein müsste. Egal, welchen Weg man präferiert: Facebook muss reguliert werden. Andernfalls reguliert Facebook irgendwann einmal uns.

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