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Politik

Riskantes Experiment in Italien

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
18. Mai 2018

Das satirische Wandbild, das in Rom kurz nach der Wahl entstand, wird Wirklichkeit: Die Populisten von rechts und links geben sich den Bruderkuss. Italien bricht in eine sehr ungewisse Zukunft auf, meint Bernd Riegert.

Kurz nach der Wahl im März tauchte das Wandbild in Rom auf: Di Maio (li.) und Salvini in enger Verbindung. Damals Satire, heute Wirklichkeit.Bild: DW/B. Riegert

"Die eigentliche Gefahr für Europa ist die Lega." "Die Fünf-Sterne-Bewegung wäre der Untergang Italiens." Diese beiden Sätze, die die populistischen Kontrahenten im Wahlkampf auf die jeweils andere Seite gemünzt hatten, gelten nun nicht mehr. Die Anti-Partei "Bewegung Fünf Sterne" und die rechtsradikalen Populisten legen sich jetzt gemeinsam in das politische Ehebett und haben in relativ kurzer Zeit eine Koalitionsvereinbarung geschmiedet. Das zeichnet die Populisten auf der rechten und eher linken Seite aus: Sie haben keine Überzeugungen, sondern hängen ihr Fähnlein in den Wind. Es ist erschreckend, dass Italien, einer der Gründerstaaten der EU nun in die Hände von Europa-Skeptikern fällt. Aber die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler, tief frustriert vom bisherigen System, wollte es so.

Ein wahrlich "historisches" Bündnis, hat "Fünf Sterne"-Parteiführer Luigi Di Maio die populistische Zweckgemeinschaft genannt. Eine Hürde gibt es allerdings noch: Es fehlt ein noch Premierminister, auf dessen Person sich die Parteiführer bis Montag einigen müssen. Das Regierungsprogramm, das die Populisten zusammengeschustert haben, ist vor allem teuer. Es verspricht Steuersenkungen für die Klientel der Lega und soziale Wohltaten für die Wähler der "Fünf Sterne". Die Rentner sollen beglückt werden und zugleich die Wirtschaft angekurbelt. Wie das alles bezahlt werden soll, ist unklar. Ein Trost für die Haushaltswächter der EU ist vorläufig, dass auch die neue italienische Regierung die Defizitregeln beachten will. Es bleibt die Hoffnung, das die fiskalische Realität ein heilsamer Schock für die populistischen Fantasien sein wird.

Stillstand in der EU ist programmiert

Es steht im Moment nicht zu befürchten, dass sich die "Fünf Sterne" und die Lega ähnlich dreist aufführen werden, wie die linksradikale "Syriza" 2015 in Griechenland. Die Italiener haben ihre Lektion aus dem Griechenland-Drama gelernt. Beide Parteien fordern aber neue Verhandlungen über die Europäischen Verträge und wollen die Regeln zugunsten Italiens ändern. Das wird ein langwieriger Prozess, der sich aber auf alle andere Politikfelder auswirken kann.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Die neue italienische Regierung will einen radikalen Wandel bei der Migrationspolitik, keine weitere Ankömmlinge mehr aufnehmen und Hunderttausende Menschen abschieben, zur Not auch in andere europäische Staaten. Der nationalistischen Lega, die mit französischen, deutschen und niederländischen Rechtspopulisten verbandelt ist, schwebt eine Politik à la Trump vor, also "Italien zuerst". Das kann für die etablierte Politik der EU in Brüssel noch sehr unangenehm werden. Man sollte ab sofort nicht mehr darauf starren, ob sich Deutschland und Frankreich zu einer Reform der Euro-Zone durchringen können. Jetzt kommt es darauf an, ob Italien, das drittgrößte Land in der Währungsgemeinschaft, überhaupt noch mitzieht oder eine völlig andere Richtung einschlagen will.

Die Kurzformel im Wahlkampf war: Brüssel ist an fast allem Schuld und soll zahlen - zum Beispiel für die faulen Kredite vieler maroder Banken in Italien. Die neue Regierung in Rom könnte versucht sein, eine Art virtuelle Parallelwährung aufzubauen, die nur zwischen dem Fiskus und italienischen Unternehmen ihre Gültigkeit hat. Mit diesem nach europäischen Regeln illegalen Trick könnten die Populisten versuchen, die überbordenden Schulden klein zu rechnen. Die spannende Frage bleibt, ob die internationalen Finanzmärkte, die der historischen Umwälzung bislang erstaunlich gelassen zugesehen haben, so entspannt bleiben. Die Zinsen für italienische Staatsanleihen haben bereits leicht angezogen, bewegen sich aber noch im üblichen Rahmen. Vor der Wahl haben Investoren, eine populistische große Koalition als "Albtraum" bezeichnet. Jetzt wird der Albtraum Wirklichkeit. Wie lange wird das gut gehen?

Außenpolitische Achterbahnfahrt in Europa

Außenpolitisch könnte die Populistenhochzeit in Italien ebenfalls zum Albtraum für die Europäer werden. Besonders die "Lega", aber auch die "Fünf Sterne", unterhalten ausgezeichnete Beziehungen in den Kreml. Beide machen sich für russische Positionen stark. Und beide lehnen EU-Sanktionen gegen Russland vehement ab. Italiens Haltung im Syrien-Krieg oder auch zum Nuklear-Deal mit dem Iran wird sich vor diesem Hintergrund verändern. Eine euro-skeptische, pro-russische, wirtschaftlich auf Abenteuer gepolte Koalition der Anti-Politiker in Rom deutet auf eine wilde Achterbahnfahrt in Europa hin. Wahrlich historisch, gefährlich - und außerordentlich spannend.

Wie lange dieses Bündnis hält, ist eine andere Frage. Sollte es irgendwann im nächsten Jahr zu Neuwahlen kommen, würde der Polit-Zombie Silvio Berlusconi wieder in den Ring steigen. Der erfahrene Strippenzieher könnte die Populisten in Bedrängnis bringen. Die Italiener hätten dann die Wahl zwischen einem großen Übel, Berlusconis "Forza Italia", und einem sehr großen Übel, den Populisten.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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